Julia Festival Band 0103
nun annehmen oder nicht?“, fragte er, als sie immer noch schwieg.
Holly schluckte, denn sie wusste nicht, was sie antworten sollte, obwohl die Sache eigentlich ganz einfach war: Wenn sie unabhängig bleiben und niemandem Dank schulden wollte, dann sollte sie sein Angebot ablehnen.
Aber war das unter den gegebenen Umständen auch klug? Sie kannte in Woodhampton niemand und hatte hier keinerlei Unterstützung. Schreckte sie, die sonst kein Risiko scheute, wirklich davor zurück, dringend benötigte Hilfe anzunehmen, nur weil sie ihr von einem Mann angeboten wurde, den sie verwirrend attraktiv fand? War es nicht auch ein sexistisches Vorurteil von Frauen, dass Männer immer nur das eine im Kopf hatten?
„Danke, sehr gern. Es wäre schön, wenn Sie zunächst den Gepäckträger abräumen könnten“, antwortete sie freundlich und bestimmt, so, als wäre sie es gewohnt, Aufträge zu erteilen. „In der Zwischenzeit werde ich nachsehen, in welchem Zustand sich die Wohnung befindet – hoffentlich in einem besseren als der Laden. Sind Sie in letzter Zeit zufällig oben gewesen?“
Luke schüttelte den Kopf. „Ich habe noch nie einen Fuß in dieses Haus gesetzt.“
Holly runzelte die Stirn. „Sagten Sie nicht, Sie seien der Eigentümer?“
„Ja, das bin ich auch, aber erst seit sehr kurzer Zeit. Es ist eine ziemlich lange und komplizierte Geschichte.“ Er zuckte die Schultern, als er ihren fragenden Blick bemerkte. Wie sie da stand mit ihren roten Locken, die ihr offen über die Schulter fielen, ihren grünen Augen und dem hellen Teint wirkte sie, Jeans und T-Shirt zum Trotz, als wäre sie geradewegs einem Jugendstilbild entstiegen. Luke fühlte sich plötzlich beklommen, denn er hatte eine unbestimmte und dunkle Vorahnung.
„Haben Sie denn bei Abschluss des Mietvertrages nicht nach Referenzen gefragt?“, wollte er unvermittelt wissen. „Das ist doch das Erste, was man tut! Warum haben Sie das unterlassen?“
„Haben Sie denn Referenzen dabei?“
„Nein, natürlich nicht“, gab er widerstrebend zu. „Es wäre also durchaus möglich, dass ich irgendjemand sein könnte …“
„Vielleicht der schleimige Vermieter, der nur darauf wartet, mich in eine dunkle Ecke zu zerren, um sich einen Vorschuss zu holen?“
Plötzlich knisterte es geradezu vor Spannung zwischen ihnen. „Ich finde das nicht lustig“, antwortete Luke gepresst.
„Nein“, stimmte sie ihm zu und senkte ihren Blick, um seinem auszuweichen. „Da haben Sie recht.“
„Sie scheinen äußerst naiv und vertrauensselig zu sein, Miss Lovelace, sonst wären Sie nie in diese Situation geraten.“ Er runzelte die Stirn. „Und jetzt geben Sie mir bitte den Autoschlüssel, damit ich den Wagen nach dem Abladen gleich umsetzen kann.“
Holly zögerte. „Ein altes Auto hat so seine Tücken“, sagte sie vorsichtig. „Bei nasskaltem Wetter funktioniert die Startautomatik manchmal nicht.“
„Das hätte ich mir denken können!“ Luke war weniger überrascht als besorgt. Wie wollte diese Frau ein Unternehmen aufbauen, wenn sie derart unpraktisch und schlecht organisiert war? „Warum haben Sie sich nicht schon längst einen Wagen zugelegt, auf den Sie sich verlassen können? Als Geschäftsfrau, die Termine einzuhalten hat, werden Sie darauf angewiesen sein.“
Zu dieser Einsicht war Holly auch schon gekommen, aus Lukes Mund jedoch klang es wie eine Provokation.
„Grundsätzlich stimme ich Ihnen da zu“, antwortete sie daher von oben herab. „Aber ‚zuverlässig‘ bedeutet entweder langweilig oder unverhältnismäßig teuer. Ein Auto, das nicht nur einigermaßen neu, sondern auch ausgefallen ist, kostet Unsummen. Das kann ich mir im Moment nicht leisten.“ Sie lächelte. „Haben Sie einfach etwas Geduld mit meinem alten Käfer und geben Sie nicht gleich nach dem ersten Versuch auf.“
Ihr Lächeln war so ansteckend, dass Luke es spontan erwiderte. „Ich wirke äußerst beruhigend auf alles, was Launen hat“, versicherte er ihr.
„Sprechen Sie wirklich von Autos? Nicht etwa von Frauen?“
Er schüttelte gespielt verzweifelt den Kopf. „Unterstellen Sie Ihren Mitmenschen eigentlich immer Hintergedanken?“
„Das tut doch jeder. Sie haben es mir gegenüber auch getan. Und lag ich mit meiner Vermutung denn so falsch?“
„In diesem Fall schon. Ich dachte nämlich nicht an Frauen, sondern an das Zureiten von Pferden“, antwortete Luke und hakte die Daumen in den Gürtel seiner Jeans.
Holly nickte, denn endlich verstand sie.
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