Julia Festival Band 0103
Rasen lief, wirkte sie endlich wie ein zehnjähriges Mädchen und nicht mehr wie die Miniaturausgabe einer erwachsenen Frau.
Auch Ursula stand auf. Unter dem Vorwand, sich im Garten umsehen zu wollen, entzog sie sich der gespannten Atmosphäre.
Die Ziegel der Gartenmauer strahlten wie ein Backofen die gespeicherte Sonnenwärme ab, und die Erde in den Beeten war trocken und rissig. Bei der schmiedeeisernen Sonnenuhr blieb Ursula stehen, um herauszufinden, wie genau diese die Zeit anzeigte. Sie beugte sich gerade über die Ziffern, als ein Schatten darauf fiel und das Ablesen unmöglich machte. Als sie sich umdrehte, blickte sie in Ross’ dunkle Augen.
„Sag mir ruhig ins Gesicht, was du denkst, Ursula. Ich habe ein breites Kreuz, und du brauchst mir die Wahrheit nicht vorzuenthalten.“
„Wie kommst du darauf, dass es dich verletzen könnte?“, fragte sie langsam. „Ich habe nämlich lediglich darüber nachgedacht, wie unerträglich heiß es heute ist, und davor habe ich überlegt …“
„Ja?“
„Davor habe ich überlegt, wie du es nur ertragen kannst, dass Jane diese Typen mit auf Katys Geburtstagsparty gebracht hat.“ Sie zuckte die Schultern. „Obwohl es für Jane ebenso unverständlich sein muss, warum du mich eingeladen hast.“
„Das kannst du doch gar nicht miteinander vergleichen! Du bist eine Bereicherung für die Party, weil du auf die Mädchen eingehst. Julian und Konsorten dagegen sind nichts weiter als ein Haufen selbstgefälliger Idioten – obwohl Jane genau das abstreiten würde.“
Ursula war von der Schärfe der Äußerung überrascht. „Das klingt ja, als hättet ihr grundsätzliche Differenzen!“
„Nein, wir führen lediglich das, was man eine ganz normale Ehe nennt.“ Ross lachte bitter.
Sie erschrak, denn derart desillusioniert hatte sie den sonst so begeisterungsfähigen Ross noch nie erlebt! „Aber wenn es so aussieht, dann …“
„Was dann, Ursula? Wir haben eine Tochter!“
„Natürlich.“ Beide Eltern zu haben gab Kindern Sicherheit. War also allein Katy der Grund, warum seine Ehe noch hielt?
Er betrachtete sie unverwandt. „Ursula“, begann er, „um noch einmal auf Jane und Julian zurückzukommen …“
„Ich weiß, was du sagen willst, Ross. Ich kann dir allerdings versichern, dass es mir wirklich nichts ausgemacht hat.“
„Woher willst du wissen, was ich sagen wollte?“
Ursula strich eine Haarsträhne zurück, die ihr ins erhitzte Gesicht gefallen war. „Ich nehme an, du wolltest dich dafür entschuldigen, dass die beiden gehässige Bemerkungen über meine Figur gemacht haben.“
„Ja, das hatte ich unter anderem auch vor“, gab er unumwunden zu. „Was Julian und Jane da geäußert haben, war ausgesprochen ungezogen.“
„Darüber brauchst du dir wirklich nicht den Kopf zu zerbrechen.“ Sie zuckte die Schultern. „An solche Sprüche bin ich gewöhnt. Manchmal wird die Kritik auch in ein Kompliment verpackt. Dass Rubens sich um mich als Modell bestimmt gerissen hätte und magere Frauen längst nicht so schöne und weiche Haut haben, sind nur zwei Beispiele dafür.“
„Da wir gerade beim Thema sind, Ursula, möchte ich dir bestätigen, dass Letzteres wirklich der Fall ist.“
„Siehst du?“ Ursula lächelte. „Die Leute gehen ganz selbstverständlich davon aus, dass mich solche Äußerungen nicht treffen.“
„Aber sie treffen dich doch?“
„Was glaubst du, Ross?“
„Ich glaube, nein, ich bin mir ganz sicher, dass du diese Farbe öfter tragen solltest. Sie verleiht deinem Haar einen geradezu unglaublichen Schimmer.“
„Genau das hat Amber auch gemeint!“ Sie kniff die Augen zusammen. „Oder behauptest du das jetzt nur, um mich zu trösten?“
„Ich erzähle keine Lügen.“
„Ich weiß, Ross.“ Offen blickte sie ihn an. „Ist dieses Leben nicht unerträglich für dich?“, erkundigte sie sich dann.
„Was du heute erlebt hast, ist nicht unser normaler Familienalltag, Ursula, und mit Julian Stringer hat sich bei uns einiges geändert. Und jetzt ist mit klar geworden, dass es sich manchmal lohnt, Geduld zu haben.“
Obwohl Ursula mit dieser Äußerung nicht viel anfangen konnte, ging sie nicht weiter darauf ein, da sie spürte, dass Ross das Thema beenden wollte.
Erst zu Hause dachte sie wieder über seine Worte nach. Unruhig ging sie durch ihre kleine Wohnung, klopfte Kissen auf, die ordentlich in der Sofaecke lagen, und arrangierte die Blumen neu, die sie erst am Morgen in die Vase gestellt hatte, nachdem sie
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