Julia Festival Band 0103
hierherzugehören und in einem Hotel anstatt in ihren eigenen vier Wänden zu sein.
Morgen war Silvester, und sie würden die Party geben, besser gesagt, Finn würde die Party geben, denn diesmal hatte sie keinerlei Anteil an den Vorbereitungen gehabt. Im letzten Jahr war das ganz anders gewesen. Da hatte sie sich um die Dekoration gekümmert, Luftballons und Lichterketten besorgt und eine Schokoladentorte gebacken, um die sich die Gäste gerissen hatten.
Es war das erste Mal gewesen, dass Finn sie um ihre Mithilfe gebeten hatte, und sie war stolz darauf gewesen. Denn Finns Freunde und Bekannte hatten daran erkennen können, dass sie jetzt zu Finn gehörte.
Sie erinnerte sich, wie still es im Saal kurz vor Mitternacht geworden war. Nachdem der letzte Ton verklungen war, war Finn vom Klavier aufgestanden und hatte die große Balkontür geöffnet, wie er es jedes Jahr tat. Die Gäste hatten sich hinausgedrängt, um die Schläge zu vernehmen, mit denen Big Ben das neue Jahr ankündigte.
Für Amber war das nicht neu gewesen, denn schon seit sie Finn kannte, war sie zu der Party eingeladen worden. Aber dennoch war gerade diese Silvesterparty etwas ganz Besonderes gewesen, denn Finn und sie hatten gerade entdeckt gehabt, dass ihre Liebe etwas ganz Besonderes war. Letztes Jahr Silvester war alles perfekt gewesen – fast zu perfekt.
Finn und sie hatten schon fast ein Jahr zusammengelebt, und es war ein unglaublich harmonisches Jahr gewesen, in jeder Beziehung. Amber hatte erkannt, dass sie Finn liebte, und gehofft, dass er ihre Gefühle in der gleichen Weise erwiderte, denn gestanden hatte er ihr seine Liebe bisher noch nicht. Das hatte er erst auf jener Silvesterparty getan …
Es herrschte die übliche, rastlose Geschäftigkeit, die für die Vorweihnachtszeit charakteristisch ist, und Amber war obendrein ein Vertrag von Cassini angeboten worden.
Cassini war eine Pariser Firma, die ihre Produkte weltweit vertrieb. Der Konzern war auf der Suche nach einem Model, das alle Produkte – von Kosmetika und Parfüm bis hin zu Juwelen – präsentieren sollte, ein Model, mit dem sich alle Kundinnen, egal welcher Nationalität, identifizieren konnten. Einen „kosmopolitischen Frauentyp“, so hatte es in der Anfrage geheißen, die nicht nur bei Finn, sondern bei allen anderen großen Modelagenturen eingegangen war.
Es war ein Auftrag, der jedes Model innerhalb kürzester Zeit weltberühmt machen würde, und keiner staunte mehr als Amber, als die Wahl ausgerechnet auf sie fiel, denn sie hatte sich überhaupt nicht beworben. Sie hatte in letzter Zeit kaum noch Fototermine angenommen, weil sie lieber mit Finn zusammen im Büro arbeitete.
Dort hatte sie dann auch der Werbemanager von Cassini zufällig entdeckt, als er mit Finn von einer Besprechung kam. Amber hatte in einer verwaschenen Jeans und einem weißen T-Shirt auf der Schreibtischkante gesessen und gedankenverloren in einen Apfel gebissen.
Dieser Anblick hatte den Mann regelrecht umgehauen – so jedenfalls hatte Finn es später beschrieben.
„Er will dich, Amber“, sagte Finn zu ihr.
„Wie soll ich denn das verstehen?“, fragte sie und zog die Brauen hoch.
Finn versuchte zu lächeln. „Oh, nicht so . Oder vielleicht doch, und er hat sich nur nicht getraut, es mir zu sagen. Nein, er will dich für die neue Werbekampagne.“
„Oh“, war alles, was Amber dazu einfiel.
„Überrascht?“, hakte Finn nach.
„Überrascht ist gar kein Ausdruck.“
„Es ist ein Exklusivvertrag, und das bedeutet Geld, sehr, sehr viel Geld. Du wirst überall zu sehen sein, im Fernsehen, in allen Illustrierten, auf Plakaten und in der Kinowerbung. Wenn du den Auftrag annimmst, bist du eine gemachte Frau, Amber, wirst berühmt sein und finanziell unabhängig.“ Finn gab sich alle Mühe, objektiv zu sein. „Wenn du das Geld geschickt anlegst, wirst du nie wieder arbeiten müssen.“
„Und wo liegen die Nachteile?“
Sie sahen sich an.
„Du wirst mich kaum noch zu Gesicht bekommen, Sweetheart.“
„Soll das eine Drohung sein?“, fragte Amber und lächelte.
„Nein, eine Tatsache.“
Natürlich nahm Amber das Angebot nicht an. Sie war mit ihrem Leben zufrieden, so, wie es war, denn sie hatte alles, was sie brauchte. Mit anderen Worten: Sie hatte Finn. Ohne ihn war alles sinnlos.
Obwohl sie genau wusste, die richtige Entscheidung getroffen zu haben, fühlte sie sich nach der Absage an Cassini doch etwas niedergeschlagen. So stürzte sie sich mit Feuereifer in die
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