Julia Festival Band 0103
schlimmsten Befürchtungen wahr werden sollten und Finn sich von ihr trennen würde. Dann nämlich würde auch sie bald in solch einer Wohnung leben.
Nein, in einer, die völlig anders aussah, denn sie würde bei null anfangen müssen. Eine solche Wohnung in solch einem Stadtteil lag weit außerhalb ihrer Verhältnisse. Und eins war klar: Von Finn würde sie keinen Pfennig annehmen!
Amber ging ins Schlafzimmer und besah sich Ursulas schmales, ordentlich gemachtes Bett. Ob Ursula es wohl je mit einem Mann geteilt hatte? Auf alle Fälle würde Ursula bestimmt keine krümelnden, dick mit Marmelade bestrichenen Croissants in ihrem Bett essen.
Bedrückt wandte sich Amber ab, um in die Küche zu gehen. In ihrem Inneren entstand ein Bild von der Wohnung, die sie sich würde leisten können. Ein schäbiges Zimmer in einem heruntergekommenen Vorort in einem Haus, dessen Wände so dünn waren, dass sie den Fernseher der Nachbarn hören konnte. Was für einen Job sie bekommen würde, daran wagte sie erst gar nicht zu denken.
Dann jedoch fiel Amber ihre Mutter ein, die wirklich arm und einsam gewesen war und die Tag und Nacht hatte arbeiten müssen, um ihre beiden Töchter allein großzuziehen. Was waren ihre, Ambers, Probleme schon dagegen?
Gewiss, sie liebte Finn mit aller Leidenschaft, derer sie fähig war. Aber wenn die Verlobung auseinanderging, konnte sie es auch nicht ändern. Wenn Finn gehen wollte, sollte er gehen. Nie würde sie ihn darum bitten, bei ihr zu bleiben. Schon immer hatte es Frauen gegeben, deren Liebe unglücklich endete, und sie hatten trotzdem überlebt. Und um einen Job brauchte sie sich eigentlich auch keine allzu großen Sorgen zu machen. Sie hatte die besten Kontakte zu den großen Modelagenturen in London, bestimmt würde sie dort eine Stelle mit angemessener Bezahlung finden.
Allein schon, um ihre Selbstachtung nicht zu verlieren, musste sie stark sein. Und wenn die Silvesterparty die Schlussszene ihrer Verlobung bilden sollte, dann war es eben so, aber eins würde sie sich nicht nehmen lassen: Sie würde einen dramatischen Abgang inszenieren.
Sie würde sich so schön wie noch nie machen, sie würde sämtliche Kniffe und Tricks anwenden, die sie aus ihrer Zeit als Model kannte – und noch ein paar mehr. Sie würde all die mondänen Frauen überstrahlen, die Finn umschwärmen würden, weil sie bestimmt schon längst mitbekommen hatten, dass er wieder zu haben war.
Sie würde Finn Fitzgerald schon zeigen, worauf er so leichtfertig verzichtete.
Finn ließ seine Silvesterpartys immer erst um halb zehn beginnen – um die Spannung und Vorfreude zu steigern. Amber jedoch hatte sich vorgenommen, als allerletzter Gast zu erscheinen.
Diesem Vorsatz blieb sie treu, auch wenn der Tag überhaupt kein Ende zu nehmen schien. Sie empfand diesen Silvestertag nicht nur als lang, sondern auch als bedrückend, denn die Menschen in der Stadt waren entweder extrem einsilbig oder übertrieben fröhlich, je nachdem, wie das Jahr für sie gelaufen war.
Die ersten Stunden des Tages verbrachte Amber damit, sich vor den Spiegel zu stellen und einen Gesichtsausdruck einzustudieren, der zeigen sollte, wie egal ihr Finn und die Verlobung mit ihm war. Anschließend war sie bis Geschäftsschluss in der Stadt gewesen, um nach einem wirklich ausgefallenen Abendkleid zu suchen. Und sie hatte es gefunden. Es war ein reines Nichts von türkisfarbenem Seidenchiffon, der das Blau ihrer Augen noch intensiver leuchten ließ. Der extrem kurze Rock und die hochhackigen Riemchensandaletten, die sie dazu trug, ließen ihre Beine noch länger wirken.
Nur als sie von Finn das erste Mal zum Essen eingeladen worden war, hatte sie sich ähnlich viele Gedanken um ihr Aussehen gemacht und ebenso lange gebraucht, um sich für eine Verabredung herzurichten. Damals hatte Finn sie in ein kleines italienisches Restaurant geführt, in dem es so schummrig gewesen war, dass man kaum etwas von ihrem Kleid hatte erkennen können – und anschließend hatte er es ihr abgestreift, ohne es eines Blickes zu würdigen.
Heute werde ich mir das Kleid bestimmt nicht ausziehen lassen, dachte Amber, es sei denn, Finn bittet mich auf Knien um Verzeihung und kann mir eine überzeugende Erklärung für sein liebloses Verhalten geben.
Sie hatte sich das Haar gebürstet und geföhnt, bis es ihr seidig glänzend auf die Schultern fiel, und großzügig Make-up aufgelegt. So fühlte sie sich gewappnet, Finn einigermaßen selbstsicher und gefasst begegnen zu
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