Julia Festival Band 0105
hoch. „Tatsächlich? Gut, Sie haben den Job. Aber wir vereinbaren eine zweiwöchige Probezeit. Es könnte ja immerhin sein, dass Sie den Mietern doch nicht gewachsen sind. Ach ja, und Sie müssten im Kinderzentrum aushelfen und an der Kaffeebar bedienen.“ Sie lächelte honigsüß. „Mit Letzterem haben Sie ja schon Erfahrung, meine Liebe.“
Mrs. Hartley hatte ein angemessenes Gehalt gezahlt. Doch große Sprünge hatte Cally mit dem Geld nicht machen können.
Heute Abend werde ich mal den Atlas zur Hand nehmen und überlegen, wohin ich als Nächstes ziehe, dachte Cally, als sie am Fluss entlangging, der in dem strahlenden Sonnenschein funkelte. Allerdings sah man bei dieser Beleuchtung auch, wie verfallen einige Speicher und Schuppen am Gunners Wharf waren.
Hier musste wirklich gründlich saniert werden. Dem konnte selbst Cally sich nicht verschließen. Wieso konnte man das aber nicht getrennt von dem Wohnbauprojekt machen, statt es einfach zu stoppen?
In der Parallelstraße zum Kai waren die meisten Häuser schon renoviert worden. Mit neuen Fenstern und Dächern, restauriertem Mauerwerk und frischer Farbe sahen sie aus wie neu. Viele Arbeiten hatten die Mieter in Eigenregie übernommen, weil sie darauf vertraut hatten, hier langfristig wohnen zu können. Und nun hatte man ihnen gekündigt!
Das Kinderzentrum hatte Mrs. Hartley aus eigener Tasche finanziert. Es hatte ein kleines Vermögen gekostet, denn immer wieder hatte die Stadt neue Gesundheits- und Sicherheitsbestimmungen verfügt. Natürlich hätten die Hartley-Söhne es lieber gesehen, wenn das Geld in das Kaufhaus der Familie geflossen wäre, das in den vergangenen zwei Jahren, wie viele andere Geschäfte auch, erhebliche finanzielle Einbußen hatte hinnehmen müssen.
Nun haben sie ja, was sie wollten, dachte Cally betrübt. Gunners Wharf war so schnell verkauft worden, dass man annehmen musste, die Gebrüder Hartley hätten schon lange mit potenziellen Käufern verhandelt. Und was sollte aus den alleinerziehenden Müttern, was aus den kleinen Familien werden, die nur über ein geringes Einkommen verfügten und sich jetzt eine neue Bleibe suchen mussten?
Cally schüttelte resigniert den Kopf. „Des einen Verlust ist des anderen Gewinn“, hatte ihr Großvater immer gesagt.
„Hallo, Cally.“ Tracy schob den Buggy über den kaputten Bürgersteig. „Hat Kit dir gesagt, warum wir uns heute Morgen treffen?“
Cally schnitt ein Gesicht und brachte dadurch das Kleinkind im Buggy zum Lachen. Dann schüttelte sie den Kopf. „Nein, kein Wort. Warum sollte er auch? Schließlich sind wir nicht unzertrennlich.“
Allerdings schien ihr das niemand zu glauben. Mit Kit Matlock, dem Geschäftsführer des Zentrums, arbeitete sie am engsten zusammen. Da sie beide alleinstehend zu sein schienen, machten ihre Mitmenschen sich so ihre Gedanken. Außerdem hatte Kit durchblicken lassen, dass er gern mehr von Cally wollte. Das war ein weiterer Grund für sie, möglichst bald wegzuziehen.
Sie mochte den attraktiven, umgänglichen, manchmal aufbrausenden Mann, betrachtete ihn jedoch eher als Kumpel, und dabei sollte es auch bleiben. Also hatte Cally alle seine Einladungen höflich, aber bestimmt abgelehnt.
Sie hatten nur einige Male gemeinsam die Mittagspause bei Sandwichs und Kaffee in Callys kleinem Büro im rückwärtigen Bereich des Zentrums verbracht. Zu mehr war sie nicht bereit.
„Schade“, sagte Tracy enttäuscht. „Ich hatte gehofft, er hätte eine Gesetzeslücke oder so etwas gefunden. Das hätte er dir natürlich zuerst erzählt.“
Cally schob die Hände in die Taschen ihres schwarzen Blazers. „Tut mir leid, Tracy, du irrst dich, es ist nichts zwischen uns. Kit ist ein toller Mann, aber ich werde von hier wegziehen. Man hat mir einen Job in London angeboten.“
„Du willst fort?“ Tracy schien entsetzt.
„Mir bleibt keine Wahl. Ich bin ja praktisch arbeitslos, da muss ich nehmen, was sich bietet.“
„Alles geht den Bach runter“, meinte Tracy traurig.
Cally hatte Mitleid mit ihr. Tracys Haus war als eines der ersten renoviert worden. Im oberen Stockwerk war es feucht gewesen, und der kleine Brad hatte ständig gehustet. Jetzt war er gesund und konnte das Kinderzentrum besuchen. Seitdem hatte Tracy halbtags als Kassiererin im Supermarkt gearbeitet. Alles schien sich zum Guten gewendet zu haben, doch nun würden Tracy und der Kleine bald keine Bleibe mehr haben.
Die anderen warteten schon im Spielzimmer, wo sie auf Kinderstühlen saßen,
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