Julia Festival Band 0105
umgezogen, dass sich meine Spur irgendwann verlieren musste.“
„Es war einfach, dich zu finden. Nur die Entscheidung, was ich mit dem Wissen anfangen sollte, war schwierig. Anfangs hatte ich noch gehofft, du würdest zu mir zurückkommen, denn ein Leben an meiner Seite wäre vielleicht doch erträglicher gewesen als die Arbeit in irgendwelchen Imbissen. Doch irgendwann musste ich diese Hoffnung aufgeben.“
„Ich dachte, ich sei frei. Stattdessen hast du mich nur an der langen Leine laufen lassen.“
Nach kurzem Schweigen fragte Nick: „Warum bist du hergekommen?“
„Hier lebt es sich genauso unauffällig wie in anderen verschlafenen Städten.“
„Diese Stadt sieht allerdings einer rosigen Zukunft entgegen. Jemand hat nämlich entdeckt, dass man von hier aus gut nach London pendeln kann. Deshalb soll Gunners Wharf ausgebaut werden.“
„Und deshalb bist du hier.“
„So eine Gelegenheit konnte ich mir nicht entgehen lassen“, antwortete er langsam, und Cally wusste, dass er damit nicht das Bauvorhaben meinte. Sie wurde immer nervöser, versuchte jedoch, sich nichts anmerken zu lassen. „Dann ist Eastern Crest auch eine Neuerwerbung? Jedenfalls hatte ich den Namen vorher noch nicht gehört.“
„Du warst ja fort, mein Liebling. Wie konntest du dich da auf dem Laufenden halten? Ich habe deine Abwesenheit genutzt, weitere Firmen zu kaufen. Was hättest du übrigens getan, wenn du Eastern Crest mit mir assoziiert hättest?“
Cally überlegte eine Weile, bevor sie erschöpft erwiderte: „Offensichtlich war es ja sinnlos, mich vor dir zu verstecken. Außerdem müssen wir uns wohl früher oder später über die Scheidung unterhalten. Aber warum ausgerechnet jetzt?“
„Weil ich gehört habe, dass du mit jemandem zusammen bist“, erklärte Nick ausdruckslos. „Es schien mir also der richtige Moment gekommen zu sein, um einzugreifen. Deinem Kollegen Mr. Matlock scheint es nicht zu passen, dass du verheiratet bist. Du hast doch wohl keine Versprechungen gemacht, die du nicht halten kannst, oder, Liebling?“
„Ich bin mit niemandem zusammen. Und Kit hat kein Recht, verärgert zu sein. Du hättest dir diesen Auftritt also sparen können.“ Cally funkelte ihn wütend an.
„Du hast ja selbst ganz richtig erkannt, dass wir uns über die Zukunft unterhalten müssen. Dann lass uns das tun.“ Nick lächelte freudlos. „Abgesehen von deiner Abwehrhaltung hast du dich kaum verändert, mein Schatz.“
„Du hast das bisher nur nicht bemerkt.“
„Ich habe ziemlich viel bemerkt“, widersprach er. „Und ich hätte mich darauf eingestellt. Doch du hast mir keine Gelegenheit dazu gegeben, sondern bist auf und davon, als wäre ich ein Massenmörder.“
„Nun übertreib mal nicht! Ich war nur nicht bereit, mein Leben nach deinen Regeln zu führen.“
Nick sah sie erstaunt an. „Ich wusste gar nicht, dass ich Regeln aufgestellt habe.“
„Du hast mich geheiratet“, sagte sie leise. „Die Ehe bringt gewisse … Verpflichtungen mit sich.“
„Aha, jetzt kommen wir der Sache näher. Mit anderen Worten: Du wolltest nicht mit mir schlafen.“ Nick betrachtete sie nachdenklich. „Zugegeben, wir hatten keine Verlobungszeit, um uns aneinander zu gewöhnen, aber du hast mir nie den Eindruck vermittelt, mich abstoßend zu finden.“
Cally senkte den Kopf. „Jetzt weißt du es.“
Nick tat, als hätte er nichts gehört. „Es gab sogar Momente, in denen ich mir sicher gewesen bin, dass du mich besonders anziehend gefunden hast. Oder habe ich mir das alles nur eingebildet?“
Nein, dachte Cally und errötete. Das hast du dir leider nicht eingebildet. Laut sagte sie: „Klar, dass du das glaubst. Alles andere würde ja auch das Image deiner Unwiderstehlichkeit beschädigen.“
„Wäre ich je so eingebildet gewesen, hättest du mich spätestens aller Illusionen beraubt, als du weggelaufen bist“, entgegnete er in frostigem Ton.
„Du hast dich sicher schnell getröstet.“ Cally bereute diesen Vorwurf sofort.
„Was hast du denn gedacht, Liebling? Du hast dir doch nicht eingebildet, ich würde fortan wie ein Mönch leben und meine Wunden lecken?“
„Erwartest du etwa, dass es mich interessiert?“ Solange ich es nicht mit ansehen muss, fügte sie in Gedanken hinzu.
Das Gespräch hatte sie sehr aufgewühlt. Wenn sie nicht Gefahr laufen wollte, dass die Mauern, die sie um sich her errichtet hatte, auf einen Schlag zum Einsturz gebracht wurden, musste sie sich jetzt schleunigst in Sicherheit
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