Julia Festival Band 0105
Arm genommen, um ihr den Anblick zu ersparen.
„Der Krankenwagen bringt deinen Großvater jetzt in die Klinik“, hatte Nick gesagt. „Wir können hier doch nichts tun. Ich fahr dich ins Krankenhaus.“
Sie hatte nur benommen genickt und sich von ihm zum Auto führen lassen.
Damals war ihr gar nicht in den Sinn gekommen, ihn zu fragen, was er zu nachtschlafender Zeit in der Nähe zu tun gehabt hatte. Erst viel später hatte sie erfahren, dass Vanessa Laytons Cottage an der gleichen Straße lag.
„Ein Rauchmelder wäre wohl zuverlässiger als ein Schutzengel.“ Nicks trockener Kommentar versetzte Cally wieder in die Gegenwart.
„Sicher. Ich wusste, dass die Leitungen alt waren, habe aber nicht geahnt, dass wir auf einem Pulverfass saßen und nicht einmal versichert waren. Als ich herausfand, dass wir obdachlos und mittellos waren, habe ich einen ziemlichen Schock bekommen.“
„Dein Großvater war alt. Da hat er wohl nicht an solche Dinge gedacht“, sagte Nick.
Das hätte er aber tun müssen, dachte Cally. Schließlich hatte die Versicherungsgesellschaft ständig Mahnungen geschickt, weil die Police nicht bezahlt worden war. Und die Hypotheken hatte ihr Großvater auch nicht mehr abbezahlt. Wenn Oak Tree Cottage nicht abgebrannt wäre, hätten sie das Haus früher oder später durch eine Zwangsversteigerung verloren. Allerdings hatte sie all dies erst nach dem Tod ihres Großvaters erfahren.
„Ich habe genug gesehen, danke. Es war ein Fehler herzukommen“, sagte Cally und kehrte zum Wagen zurück.
„Irgendwann wirst du dich entscheiden müssen, was mit dem Grundstück passieren soll“, gab Nick zu bedenken.
„Ja, aber nicht jetzt. Ich habe andere Sorgen.“ Es war ein merkwürdiges Gefühl, wieder durchs Dorf zu fahren. Ihr kam es vor, als wäre sie tausend Jahre fort gewesen, und doch schien sich nichts verändert zu haben. Die wenigen Menschen, die auf der Straße waren, würden wohl bald herumerzählen, dass sie zurückgekehrt war.
Majestätisch erhob sich Wylstone Hall über dem großzügig angelegten Anwesen. Schon von Weitem konnte Cally sehen, wie sorgfältig das Herrenhaus saniert worden war. Die zuvor vernachlässigte Parklandschaft machte inzwischen einen äußerst gepflegten Eindruck. Die großen Rasenflächen schimmerten saftig grün in der Sonne, Bäume und Büsche waren zurückgeschnitten worden, und die Beete waren neu bepflanzt worden. Selbst der in der Mitte der breiten Auffahrt gelegene alte Springbrunnen war zu neuem Leben erweckt worden. Die Wassertropfen der Fontänen funkelten wie Brillanten im Sonnenschein.
Wylstone Hall vereinigte verschiedene Stilrichtungen – vom Mittelalter bis zur viktorianischen Architektur war alles vertreten.
Cally hatte das Herrenhaus immer als eher kalt und abweisend empfunden. Vielleicht war dieser Eindruck aber auch auf Adele und ihre mürrische Haushälterin zurückzuführen gewesen.
Die Frau, die ihnen jetzt zur Begrüßung entgegenkam, sowie sie ausgestiegen waren, schien das genaue Gegenteil ihrer Vorgängerin zu sein: etwa Mitte dreißig, schlank und freundlich.
„Da sind wir, Margaret.“ Nick schob Cally in ihre Richtung. „Das ist Mrs.Thurston, Cally. Sie wird dir mit Rat und Tat zur Seite stehen.“
„Gern, Sir. Herzlich willkommen. Sehr erfreut, Sie kennenzulernen, gnädige Frau.“ Sie schien noch etwas auf dem Herzen zu haben. „Ich sollte noch erwähnen, Sir …“
„Später“, sagte Nick. „Und sagen Sie Frank, er braucht das Gepäck erst später auszuladen.“ Er wandte sich Cally zu und sagte leise: „Beim ersten Mal habe ich mit der Tradition gebrochen. Aber jetzt werde ich die Braut über die Schwelle tragen, wie es sich gehört.“
Bevor Cally protestieren oder ihm ausweichen konnte, schwebte sie schon in der Luft, und Nick betrat mit Cally auf dem Arm das Haus.
Über der kühlen, düsteren Eingangshalle hing der Duft von Lavendel.
Cally bemerkte, dass Nick sie in den ersten Stock tragen wollte. „Lass mich runter, Nick“, bat sie.
„Noch nicht“, antwortete er amüsiert. In seinem Tonfall schwang auch etwas Gefährliches mit.
„Machst du schon von deinen ehelichen Rechten Gebrauch, mein Lieber?“, fragte eine Frau mit tiefer, sinnlicher Stimme, die Cally leider nur zu bekannt vorkam. „Es ist ja noch nicht einmal Abend. Kein Wunder, dass das arme Kind so erschrocken wirkt.“
Nick blieb wie erstarrt stehen, dann ließ er Cally vorsichtig hinunter und wandte sich um.
„Adele“, sagte er
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