Julia Festival Band 0105
hinunterzugleiten drohte. „So etwas trage ich nicht. Lady Tempest meinte es wohl gut.“
„Aber offensichtlich nicht mit dir“, sagte Nick leise.
„Wie meinst du das?“, fragte sie abweisend.
„Sei nicht so naiv, Schätzchen. Sie dachte wohl, du würdest es für mich tragen.“ Er hatte genau gesehen, wie verlegen er Cally mit seinen Worten machte. „Mach dir keine Gedanken, ich werde sie bitten, ein dezenteres Nachthemd für dich herauszusuchen. Und morgen kannst du dann einkaufen gehen. Deswegen bin ich aber nicht hier. Ich wollte dir eigentlich nur sagen, dass man aus den Trümmern den Metallsafe deines Großvaters geborgen hat.“
„Dem Himmel sei Dank! Das ist wunderbar. Alle unsere Papiere sind in dem Safe. Gut, dass wenigstens die gerettet sind.“
Nick hatte genickt. „So, und versuch zu schlafen. Morgen wird alles schon wieder ganz anders aussehen.“
„Nick“, hatte sie gesagt, als er schon an der Tür war. „Ich … ich weiß gar nicht, wie ich dir danken soll.“
„Ach, da hätte ich schon eine Idee“, hatte er neckend geantwortet und das schwarze Nachthemd hochgehoben. „Vielleicht sollte ich dich bitten, mir das Hemd vorzuführen. Allerdings ist jetzt vielleicht nicht der passende Zeitpunkt.“ Lachend hatte er sich verabschiedet, als er ihren wütenden Blick aufgefangen hatte.
Ärgerlich hatte Cally den Turban abgenommen und sich das Haar frottiert. Nick ist auf seine Weise genauso schlimm wie Adele, hatte sie gedacht. Besorgt und freundlich, und im nächsten Moment zieht er mich auf und bringt mich in Verlegenheit.
Sie war ja nach London gegangen, weil sie sich eingebildet hatte, dass er sich etwas aus ihr machte – was natürlich Unsinn war!
Jedenfalls wollte sie sich nicht noch einmal zur Närrin machen lassen!
Als es zehn Minuten später an der Tür geklopft hatte, hatte sie jedoch zugleich gehofft und befürchtet, Nick könnte es sich anders überlegt haben, und den Zeitpunkt doch für geeignet halten.
Schüchtern hatte sie gerufen: „Herein!“
Doch es war nur Mrs. Bridges gewesen. „Ich wollte das Geschirr holen, Miss“, hatte sie gesagt. „Und Sir Nicholas bat mich, Ihnen das zu geben.“ Dabei hatte sie Cally ein blütenweißes Herrenhemd hingehalten. „Er lässt ausrichten, er hat es gestern erst gekauft. Es ist also noch ungetragen“, hatte sie kühl hinzugefügt.
„Richten Sie ihm bitte meinen Dank aus.“
Als die Haushälterin die Tür hinter sich geschlossen hatte, hatte Cally sich aus dem Badetuch gewickelt und sich das weiße Hemd übergestreift. Ihre Brustspitzen hatten sich aufgerichtet, als sie mit dem kühlen Stoff in Berührung gekommen waren. Als Cally ihr Spiegelbild betrachtet hatte, hatte ihr ein Mädchen mit blassem Gesicht und verwuseltem Haar entgegengesehen, das in dem weißen Hemd, das gerade die Schenkel bedeckte, sehr erotisch wirkte.
Insgeheim hatte sie sich gewünscht, Nick hätte das Hemd schon getragen und es würde nach ihm duften. Dann hätte sie sich einbilden können, in seinen Armen zu schlafen.
Im nächsten Moment hatte sie sich wieder unter Kontrolle gehabt und sich gesagt, dass dies nur eine völlig aussichtslose Schwärmerei war. Was würde Nick denn mit einem so jungen Unschuldslamm anfangen sollen?
„Lady Tempest?“ Mrs. Thurstons ruhige Stimme riss Cally aus ihren Tagträumen.
Cally wandte sich hastig um.
„Entschuldigen Sie die Störung, ich wollte Ihnen nur sagen, dass der Tee im Salon serviert ist.“
„Ach ja, danke. Ich komme sofort.“ Cally rang sich ein Lächeln ab. „Ich war ganz in Gedanken. Wahrscheinlich muss ich mich erst wieder eingewöhnen.“
Als sie den Salon betrat, fand sie nur Adele vor, die gelangweilt in einer Zeitschrift blätterte.
„Wo ist Nick?“
„Er hatte doch keine Lust, mich zu unterhalten, und erledigt im Arbeitszimmer Telefonate. Ja, meine liebe Caroline, er ist wirklich ziemlich schlechter Laune. Deine Jungfräulichkeit scheint ihm langsam auf die Nerven zu gehen.“
Dieses Mal ließ Cally sich nicht von der missgünstigen Frau provozieren. Stattdessen begutachtete sie den gedeckten Tisch, auf dem appetitliche Gurkenschnittchen, Scones, Konfitüre und Sahne, Früchtekuchen, Biskuitkuchen und Mürbeteigplätzchen angerichtet waren.
Mrs. Thurston scheint eine wirkliche Bereicherung zu sein, dachte Cally dankbar, als sie Adele und sich Tee einschenkte, sich hinsetzte und den Salon eingehend betrachtete.
Sie erkannte den Raum kaum wieder. Die dunklen Tapeten waren
Weitere Kostenlose Bücher