Julia Festival Band 0105
Tagesdecke. An den Wänden standen halbhohe Eichenkommoden. Das Zimmer wirkte sehr viel schlichter und männlicher als das große Schlafzimmer.
Hier hatte Nick also übernachtet, wenn er zu Hause war. Vielleicht würde er auch weiterhin einige Nächte in diesem Raum verbringen. Als Cally den würzigen Duft von Nicks Aftershave einatmete, wurde sie erst recht wieder an ihren Mann erinnert und zog sich schnell in das große Schlafzimmer zurück.
Inzwischen war das Gepäck heraufgebracht worden, und Cally suchte nach ihrer Haarbürste. Dabei fiel ihr Blick auf das Nachthemd, das sie in der vergangenen Nacht getragen hatte. Sie zog es heraus, schüttelte es aus und überlegte, ob sie es wohl heute Abend tragen durfte. Was würde Nick von ihr erwarten?
Natürlich wusste sie theoretisch, was sie erwartete, verfügte jedoch über keine praktischen Erfahrungen. Eigentlich hatte sie auch keine Angst davor, mit Nick eins zu werden, die Vorstellung widerstrebte ihr lediglich. Leidenschaft wurde wohl nicht von ihr erwartet, aber doch zumindest Fügsamkeit. Hoffentlich kann ich das, dachte Cally und setzte sich auf den Hocker, der vor der Frisierkommode stand, bevor sie ihr Haar bürstete, Feuchtigkeitscreme im Gesicht verteilte und dezent Lippenstift auftrug.
Kriegsbemalung, dachte sie ironisch, als sie schließlich das Zimmer verließ. Hier wurde sie wieder von ihren Erinnerungen eingeholt.
In der Nacht, als sie durch das Feuer ihr Dach über dem Kopf verloren hatte, hatte Nick sie ins Herrenhaus gebracht, wo Adele und die Haushälterin sie – widerstrebend – begrüßt hatten.
Offensichtlich hatte Nick die beiden vom Krankenhaus aus angerufen, denn ein Bett für Cally war gemacht und auf einem Tisch stand heiße Suppe, die Cally sich hatte schmecken lassen. Nach all der Aufregung war sie plötzlich sehr hungrig gewesen. Kaum hatte sie das Mahl beendet, als Adele ins Zimmer gekommen war.
„Hier sind Kamm und Zahnbürste“, hatte sie gesagt und die in Plastikfolie eingeschweißten Gegenstände auf den Nachttisch gelegt. „Und ein Nachthemd brauchen Sie wohl auch.“ Damit hatte sie ein schwarzes durchsichtiges Gewand aufs Bett geworfen.
„Danke“, hatte Cally ausdruckslos gesagt und ihr Entsetzen verborgen. „Tut mir leid, Ihnen so viel Mühe zu machen.“
Adele hatte nur mit den Schultern gezuckt. „Das Haus gehört ja jetzt Nick. Er gibt die Anordnungen. Es muss schrecklich sein, das Dach über dem Kopf zu verlieren. Wenn Sie Ihre Kleidung vor die Tür legen, sorge ich dafür, dass Sie morgen früh frisch gereinigte Sachen haben. So können Sie sie nicht anziehen, die stinken ja völlig verräuchert.“ Adele hatte sich auf die Armlehne eines Sessels gesetzt. „Morgen werden Sie sich wohl nach einer Wohnung umsehen, während die finanziellen Angelegenheiten geklärt werden, oder?“
„Ja, ich denke schon“, hatte Cally geantwortet. Zu dem Zeitpunkt war sie noch sicher gewesen, dass die Versicherung bezahlen und ihr Großvater das Haus wieder aufbauen würde. Unbewusst hatte sie sich müde die Stirn gerieben, denn ihr Kopf hatte schrecklich wehgetan.
„Kopfschmerzen, Kleines?“ Adele hatte sie boshaft gemustert. „Das ist eine verbreitete Entschuldigung. Aber ich fürchte, Ihren Retter in der Not wird das wenig beeindrucken.“
Cally hatte erschöpft aufgeblickt. „Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen.“
„Wirklich nicht?“ Adele hatte abfällig gelacht. „Na, Sie werden es schon noch früh genug erfahren. In der Zwischenzeit würde ich vorschlagen, ein Kopfschmerzmittel einzunehmen. Im Badezimmerschrank finden Sie alles, was Sie brauchen.“ Sie war aufgestanden und hatte das Zimmer verlassen. Cally hatte ihr nur verwundert nachgesehen, sich dann jedoch überlegt, dass diese boshafte Person sie gar nichts anging, und war ins Badezimmer gegangen. Dort hatte sie zunächst eine Kopfschmerztablette genommen und sich dann ein Bad eingelassen. Nachdem sie sich mehrmals gründlich eingeseift hatte, hatte sie sich wieder halbwegs menschlich gefühlt. Nachdem sie ihr frisch gewaschenes Haar mit einem zum Turban gewickelten Handtuch hochgebunden und sich in ein Badetuch gehüllt hatte, war sie in das ihr zugewiesene Zimmer zurückgekehrt.
Dort hatte Nick auf sie gewartet, der am Bett stand und Adeles Nachthemd süffisant lächelnd betrachtete.
„Hast du dir das ausgesucht?“, fragte er lässig und hielt das durchsichtige Hemd hoch.
„Oh … nein.“ Verlegen befestigte Cally das Badetuch, das
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