Julia Festival Band 0105
aufgemacht, der Angelegenheit selbst auf den Grund zu gehen. Und dann hatte sie sich mit eigenen Augen davon überzeugt, dass ihre Ehe mit Nick nur eine Farce war.
Bei der Erinnerung stöhnte sie unterdrückt.
Besorgt blickte Nick sie schnell von der Seite an. „Alles in Ordnung?“
„Ja, ja. Ich dachte nur …“ Sie atmete tief durch. „Könnten wir vielleicht erst zum Cottage fahren, Nick? Nur für ein paar Minuten.“
Nach kurzem Nachdenken antwortete er ruhig: „Natürlich, wenn du möchtest.“
Als er kurz darauf vor dem Tor parkte, stieg Cally aus, wobei sie vermied, auf die Wiese zu blicken, die Baz als Weide gedient hatte. Der Schock über den Schlaganfall ihres Großvaters war groß genug gewesen, sie ihre Jobsuche in London abbrechen zu lassen und nach Hause zu eilen, doch Baz nicht mehr vorzufinden war womöglich noch schmerzvoller gewesen.
Sein hinter dem Oak Tree Cottage gelegener Stall war bereits abgerissen worden, die Balken waren zu Brennholz verarbeitet worden. Ein benachbarter Landwirt hatte die Weide gekauft, gepflügt und Gerste gesät.
Cally hatte am Zaun gelehnt und geweint, als Nick sie gefunden hatte.
„Cally.“ Sanft hatte er ihre Schultern umfasst und Cally zu sich herumgedreht, damit er ihr in die Augen schauen konnte. „Was ist denn los? Geht es deinem Großvater schlechter?“
„Nein, die Ärzte sagen, er wird wieder ganz der Alte sein.“ Ihr Gesicht war tränenüberströmt gewesen. „Aber während meiner Abwesenheit hat er Baz verkauft, ohne mir etwas zu sagen. An eine dieser furchtbaren Reitschulen im Norden. Er hat gesagt, das Geld sei knapp und wir müssten uns einschränken.“
Nick hatte sie mitfühlend angesehen. „Wenn du möchtest, kannst du dir gern eins von meinen Pferden leihen.“
„Darum geht es nicht. Baz gehörte mir, so lange ich denken kann. Und jetzt ist er einfach weg. Ich kann es nicht fassen. Er fehlt mir so sehr.“
Nick hatte sie damals wortlos an sich gezogen und sie getröstet – wie man ein Kind tröstet, und nicht die Frau, die sie so gern gewesen wäre.
Ob Nick sich auch an diese Szene erinnert?, überlegte Cally. Wahrscheinlich nicht. Ihm ging es ja nur um Rache.
Das schmiedeeiserne Tor quietschte, als sie es aufstieß. Der Weg zum Cottage war vom Unkraut überwuchert. Als Cally sich durch die Brombeerranken gekämpft hatte und vor dem stand, was einmal ein Haus gewesen war, erschauerte sie. Nur ein Haufen rauchgeschwärzter Steine war übrig geblieben. Ihr Großvater und sie selbst hatten nur das nackte Leben retten können.
Cally wandte sich hastig um und wäre fast mit Nick zusammengeprallt, der ihr leise gefolgt war.
„Hast du genug gesehen?“ Wieder umfasste er ihre Schultern.
„Ich dachte, hier wäre inzwischen aufgeräumt worden“, sagte sie und machte sich los.
„Es liegt an dir, was hier passiert, Cally. Der Grund und Boden gehört dir. Vielleicht möchtest du das Haus wieder aufbauen lassen, damit du eine Zuflucht hast, wenn unsere Ehe endgültig beendet ist.“
„Nein, danke“, antwortete sie kühl. „Ich werde weit weggehen. Hier gibt es zu viele Erinnerungen.“
„Nicht nur für dich. Was für ein Glück, dass ich damals hier vorbeigefahren bin und bemerkt habe, was los ist.“
„Du hast dein Leben aufs Spiel gesetzt“, sagte Cally mit bebender Stimme. „Aber ohne dich hätte ich Großvater niemals herausholen können.“
„Erinnerst du dich, wodurch du aufgewacht bist?“
Cally betrachtete die ramponierten Pflastersteine. Ich war noch wach. Ich saß an meinem Schlafzimmerfenster und habe an dich gedacht und an Großvater, der so wütend war, als er beobachtet hat, wie du mich am Weidezaun getröstet hast. „Ganz der Vater! Jagt jedem Rockzipfel hinterher“, hatte er verbittert gesagt. „Halt dich von ihm fern, Cally. Er ist deiner nicht wert.“ Und ich habe es ihm versprochen, weil ich wusste, dass er sich nicht aufregen durfte.
Betont munter sagte sie: „Mein Schutzengel hat mich wohl geweckt. Leider scheint er mich inzwischen verlassen zu haben.“
Es war ihr damals alles so unwirklich vorgekommen, als sie draußen in der Dunkelheit gestanden und zugesehen hatte, wie die Feuerwehr die lodernden Flammen bekämpft hatte. Wie eine mittelalterliche Darstellung des Infernos. Es war unglaublich gewesen, wie schnell das Feuer um sich gegriffen hatte. Die Hitze war unerträglich gewesen und dann der Gestank …
Als das Dach mit lautem Krachen eingestürzt war, hatte Nick sie ganz fest in den
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