Julia Festival Band 0105
Familie.“
Miles lächelte spöttisch. „Ich finde, Lady Markham hält sich trotzdem recht tapfer, nicht wahr, Liebling?“
„Sie hat einen starken Charakter.“
Am folgenden Abend zog Chessie das neue Kleid aus dunkelgrüner Seide an. In der hintersten Ecke des Garderobenschrankes fand sie cremefarbene Riemchensandaletten und eine dazu passende Tasche, Relikte aus ihrem früheren Leben. Ein cremefarbener Schal vervollständigte das Outfit.
„Du siehst sehr schön aus“, lobte Steffie, als sie sich, ganz in elegantem Schwarz gekleidet, zu Miles und Chessie in den Salon gesellte. „Findest du nicht auch, Miles?“
„Atemberaubend. Kenne ich das Kleid?“
Chessie schüttelte den Kopf. „Ich habe es neulich in Hurstleigh gekauft.“
„Ein ereignisreicher Ausflug.“ Er lächelte, doch seine Augen blieben kühl.
„Dort, wo ich wohne, gibt es keine vernünftigen Boutiquen. Wenn ich etwas brauche, muss ich bis nach London fahren.“ Auf der kurzen Fahrt nach Wenmore Court plauderte Steffie unbefangen.
Das riesige Gebäude war hell erleuchtet. Sie wurden von Mrs. Cummings empfangen, die die von Linnet vorgeschriebene blaue Uniform trug. Die Dame des Hauses wartete lächelnd an der Tür zum Salon. Sie trug eines ihrer figurbetonten Designeroutfits aus dunkelroter Seide, passend zum Nagellack und Lippenstift.
Linnet erinnerte Chessie an eine exotische Dschungelpflanze, und zwar eine von der giftigen Sorte.
„Miles! Wie schön, Sie zu sehen“, flötete die Blondine zuckersüß. „Und dies ist Ihre Schwester, Mrs. Barnes? Aber das klingt so formell. Sagen wir doch einfach Stephanie und Linnet. Ach ja, Chessie“, fügte sie gelangweilt hinzu. „Guten Abend. Falls du Alastair suchst, er ist bei seinem Vater.“
Ich suche ihn keineswegs, dachte Chessie gereizt. „Wie geht es Sir Robert?“
„Man sagte mir, er mache Fortschritte.“ Linnet zuckte die Schultern. „Ich kann jedoch keine Anzeichen entdecken. Seine Pflegerin scheint allerdings recht gut zu sein.“ An die anderen gewandt, fuhr sie fort: „Leider kann er sich momentan nicht um seine Angelegenheiten kümmern, und es gibt keine amtliche Vollmacht. Die Anwälte müssen nun ein Notverfahren einleiten, aber das dauert und ist so lästig.“
Sie könnte genauso gut über einen verschobenen Friseurtermin reden, dachte Chessie.
Linnet war noch nicht fertig mit Chessie. „Warum gehst du nicht in den Westflügel, Kleines, und sagst Alastair, dass die Gäste eingetroffen sind? Schließlich kennst du den Weg. Du findest Alastair im Blauen Zimmer.“
Damit stellte sie Chessie auf die gleiche Stufe wie Mrs. Cummings, deren Aufgabe es eigentlich gewesen wäre, Alastair zu informieren. Chessie war schockiert. Für die Gastgeberin zählten weder das neue Kleid noch der Verlobungsring. Für sie war Chessie in erster Linie Miles’ Haushälterin.
„Ja, natürlich.“ Mit undurchdringlicher Miene verließ Chessie den Raum.
Als sie das Blaue Zimmer erreichte, wurde die Tür geöffnet und eine Frau mittleren Alters in Schwesterntracht kam heraus. Sie trug ein Tablett, das mit einem weißen Tuch bedeckt war.
„Kann ich Ihnen helfen?“, erkundigte sie sich höflich.
„Ich bin Francesca Lloyd, eine Freundin der Familie. Lady Markham schickt mich, um ihren Stiefsohn zu holen.“
„Chessie?“, ertönte Alastairs Stimme. „Komm herein.“
Sie hatte sich innerlich auf einen Schock vorbereitet, doch sie hatte nicht damit gerechnet, einer völlig kraftlosen, zusammengesunkenen Gestalt im Rollstuhl zu begegnen. Sir Robert war nicht wiederzuerkennen. Sie rang sich ein Lächeln ab und trat näher.
„Vater.“ Alastair beugte sich über ihn. „Chessie möchte dich sehen, Chessie Lloyd.“
„Guten Abend, Sir Robert. Erinnern Sie sich noch an mich?“
Der Blick aus den tief liegenden Augen wirkte verwirrt, doch dann dämmerte Erkennen auf. Mühsam stieß der Patient einige undeutliche Laute aus.
Chessie zog sich einen Stuhl heran und setzte sich. Sanft strich sie über Sir Roberts Hand. „Es ist schön, dass Sie wieder hier sind. Der ganze Ort hat Sie vermisst.“
Während sie im leichten Plauderton über die Ereignisse berichtete, die sich in den letzten Jahren zugetragen hatten, war sein Blick schmerzerfüllt und beinahe ärgerlich auf ihr Gesicht gerichtet.
„Ist es jetzt nicht Zeit fürs Essen, Chessie?“, unterbrach Alastair sie ungeduldig. „Schwester Taylor will meinen Vater ins Bett bringen. Außerdem versteht er kein Wort von dem, was
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