Julia Festival Band 05
an sie, als er nach der Arbeit über den Parkplatz ging. Er war so sehr mit sich selbst beschäftigt, dass er sogar vergessen hatte, in den Umkleideraum zu gehen, um sein Kostüm abzulegen.
„Hallo, Weihnachtsmann!“, riefen zwei Jungen ihm quer über den fast verlassenen Parkplatz zu, bevor sie von ihren Eltern in den Minibus gedrängt wurden.
Tim winkte ihnen zu. Du bist ein Idiot, sagte er zu sich selbst. Dann lief er eilig zurück, damit er seine Straßenkleidung noch holen konnte, bevor das Kaufhaus schloss.
In diesem Moment erblickte er sie.
Laura hatte viel mehr Zeit auf die Einkäufe verwendet, als sie beabsichtigt hatte. Nun waren endlich alle Pakete im Kofferraum ihres Wagens verstaut. Der Wagen jedoch zeigte keine Reaktion, als sie den Zündschlüssel herumdrehte. Auch wiederholte Versuche änderten nichts daran. Der Motor gab nur ein gequältes Röhren von sich. Sie stieg aus, ging um den Wagen herum und betrachtete ihn argwöhnisch, als hätte sie es mit einem listigen Widersacher zu tun.
Auch Robbie war ausgestiegen. Er verfolgte seine Mutter und jammerte, er habe Hunger. Am liebsten hätte Laura dem Wagen einen Fußtritt versetzt, oder wenigsten mit ihren spitzen Absätzen den Lack zerkratzt, um ihrer Wut Luft zu machen.
Da Robbie bei ihr war, unterdrückte sie diesen Impuls. Für das Kind ist es nicht sehr beruhigend, wenn ich mich wie eine Wahnsinnige benehme, überlegte sie, als sie ihren Sohn ansah.
Seufzend ergriff sie Robbies Hand. „Komm, wir müssen einen Abschleppwagen rufen.“
Robbie schien von dieser Idee begeistert zu sein. „Wow!“
„Ja, wow“, wiederholte Laura, ohne jedoch seine Begeisterung zu teilen.
„Stimmt irgendetwas nicht?“
Als sie erschrocken herumfuhr, schaute sie in freundliche grüne Augen unter buschigen weißen Augenbrauen. Schon wieder ein Weihnachtsmann, dachte sie. Oder ist es derselbe wie vorhin? Sie musterte ihn genauer.
Es war derselbe. Unsicher schaute sie sich auf dem Parkplatz um, doch die meisten Kunden waren bei Geschäftsschluss schon nach Hause gefahren. Es war niemand zu sehen. Wo sind die Massen, wenn man sie braucht, fragte sie sich.
Sie stellte sich schützend vor Robbie, bevor sie Tims Frage mit Ja beantwortete. „Wer sind Sie?“ Diese Frage konnte sie beim besten Willen nicht unterdrücken.
Tim bemerkte ihr Misstrauen. Wie die Mutter, so der Sohn, dachte er. „Ein guter Samariter“, erklärte er freundlich. „Der Weihnachtsmann.“
Warum trägt er keine normale Straßenkleidung, überlegte Laura. Empfand er vielleicht eine Art von perversem Vergnügen, wenn er in der Verkleidung des Weihnachtsmanns herumlief? „Manche würden Sie für verrückt erklären.“ Die Worte kamen über ihre Lippen, noch bevor sie sie zu Ende gedachte hatte.
Tim grinste. „Gerade heute erst habe ich erfahren, dass ich gar nicht existiere.“
Er warf Robbie einen vielsagenden Blick zu. Der Junge schien nicht zu wissen, was er von der ganzen Sache halten sollte. Er blickte zwischen Tim und seiner Mutter hin und her. Offenbar fragte er sich, ob dieser Weihnachtsmann vielleicht zaubern und ihren Wagen starten konnte. Er hatte gesagt, dass er nicht an den Weihnachtsmann glaubte, doch er würde sich auch gern vom Gegenteil überzeugen lassen. Besonders, wenn ein Rentier zur Rettung auftauchen würde.
Verzweifelt wünschte sich Laura, es wären noch andere Leute in der Nähe. Es hätte ihr ein Gefühl von Sicherheit gegeben. Schließlich sah sie ein, dass sie sich allein behaupten musste. „Sehen Sie, Mr. …“ Sie hielt inne, weil sie nicht wusste, wie sie ihn anreden sollte. Weihnachtsmann klang wohl doch zu lächerlich.
„Holt. Timothy Holt.“ Robbies wissendes Grinsen entging Tim nicht. Warte nur, Robbie, dachte er, ich werde dir deinen Glauben wiedergeben, wenn die Zeit gekommen ist.
„Mr. Holt, ich …“ Laura versagte plötzlich die Stimme. Ihr Mund wurde immer trockener, als sie zu ihrem Wagen zurückging. Was ist denn los, fragte sie sich. Der Motor springt nicht an. Ist das so schwer über die Lippen zu bringen?
Warum hatte sie nicht auf ihre Mutter gehört? Seit Monaten drängte sie Laura, sich ein Autotelefon zuzulegen. Aber so ein Autotelefon war teuer, und Geld stellte zurzeit ein echtes Hindernis dar, erinnerte sie sich.
Tim spürte, dass es wenig Sinn haben würde, ihr zu sagen, dass er absolut harmlos war. Das würde diese misstrauische Frau nur noch argwöhnischer machen. Also richtete er seine Aufmerksamkeit auf den Wagen.
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