JULIA FESTIVAL Band 76
Jenny.
„Gibt es etwas, das du mir erzählen möchtest?“, fragte ihr Vater.
„Lass sie in Ruhe, Frank“, befahl ihre Mutter. „Sie braucht nichts zu essen, wenn sie nicht möchte.“
„Hast du Bauchweh, Tante Jenny?“ Tammy beugte sich zu ihr. „Wenn ja, kann ich dann deinen Nachtisch haben?“, flüsterte sie.
Zum ersten Mal an diesem Tag lächelte Jenny. „Natürlich, Honey. Großmutter hat Schokoladenpudding gemacht, extra für dich.“
Tammy lachte fröhlich. „Toll. Können wir morgen wieder feiern?“
Frank nahm einen Schluck Bier. „Dies ist ein einmaliges Ereignis, Tammy. Das Werk gehört jetzt uns und wir werden etwas daraus machen.“
„Was ist ein Werk?“
Der Rest der Familie lachte fröhlich. Jenny fragte sich, ob die anderen wussten, wie gewaltig ihr Schmerz war.
Der große Esszimmertisch war mit zwei Zusatzplatten verlängert worden. Trotzdem war es eng. Anne und ihr Mann waren gekommen. Bis auf Tammy lagen ihre Kinder schon im Bett. Mary und ihr Verlobter saßen neben Tammy. Randi hatte den weiten Weg aus Pittsburgh zurückgelegt, um mit ihnen zu feiern. Der Bruder ihrer Mutter und dessen Frau saßen links und rechts ihres Vaters, während ihre Mutter den letzten Platz am anderen Ende des Tischs einnahm.
Diese Menschen hatten Jenny durch die schwere Zeit nach der Vergewaltigung geholfen und immer zu ihr gehalten. Anne kochte ihre Lieblingsmahlzeiten, damit sie wieder zu essen begann. Randi und Mary leisteten ihr jeden Tag nach der Schule Gesellschaft. Ihre Mutter nahm sie in den Arm, wenn sie sich schluchzend an ihre alte Babydecke klammerte.
Und ihr Vater, der jetzt lachend Witze erzählte. Er bewies ihr tagtäglich, dass man Loyalität nicht kaufen konnte, sondern sie sich verdienen musste. Er war ein Fels in der Brandung und würde sie alle überleben.
Ihre Mutter stand auf und begann die leeren Teller abzuräumen. Jenny half ihr dabei.
„Mom, kann ich heute Nacht hierbleiben?“, fragte sie leise, während sie den Geschirrspüler belud.
„Bist du denn nicht bei Chase?“
Jenny errötete. „Woher weißt du, dass ich bei ihm war?“
Ihre Mutter lächelte. „Honey, vor ein paar Tagen hat dein Vater bei dir angerufen. Spätabends. Du warst nicht da. Ich hatte große Mühe, ihn davon abzuhalten, zum großen Haus zu fahren und Chase eine Ladung Schrot zu verpassen.“
„Ich bin froh, dass du Erfolg hattest.“
„Ich auch. Und? Warum bist du nicht dort, wo du hingehörst?“
Jenny spülte ein Glas aus. „Wir haben uns heute Morgen Lebwohl gesagt.“
„Hat er dich gebeten, mit ihm nach Phoenix zu gehen?“
„Ja.“
„Und du hast nein gesagt.“
„Ich kann nicht weg.“
„Ich verstehe.“
Jenny sah ihre Mutter an. Sie wirkte enttäuscht.
„Wie?“, fragte Jenny erstaunt. „Du willst, dass ich mit ihm gehe?“
„Ich will, dass du glücklich bist.“ Sie holte die Teller für den Nachtisch aus dem Schrank. „Meinst du nicht, du hast es verdient?“
„Das habe ich wohl.“
Ihre Mutter nahm die Schüssel mit dem Pudding aus dem Kühlschrank und stellte sie auf den Tresen.
„Sieh dir all diese Kalorien an. Ich werde morgen meinen Spaziergang um eine Meile verlängern müssen. Randi schläft in ihrem alten Zimmer. Du kannst das Gästezimmer nehmen. Und was das andere betrifft, wenn du in Harrisville glücklich bist, bleib hier. Und wenn du anderswo … Na ja, du bist ein kluges Mädchen und weißt selbst, was du tun musst.“
Am nächsten Morgen stand Jenny auf, um den Sonnenaufgang zu beobachten. Vom Wintergarten aus konnte man über den Fluss schauen. Das Haus der Jacksons war nicht zu erkennen, aber Jenny wusste, wo es lag. Wie lange würde es dort noch stehen? Als Symbol vergangener Zeiten. Chase hatte es der Stadt geschenkt. Ein Ausschuss beriet bereits darüber, was aus dem Anwesen des Stahlbarons werden sollte.
Ob Chase in dieser Nacht geschlafen hatte? Solange Dunkelheit herrschte und die Sonne nicht aufging, war noch nicht heute. Er war noch hier. Jenny wünschte, sie könnte die Zeit anhalten. Doch der Horizont rötete sich bereits. Der Tag begann. Der Tag seiner Abreise.
Sie trank ihren Kaffee und überlegte, wie sie diesen Tag überstehen würde. Sie würde sich ablenken. Es gab Berichte vorzubereiten. Die Bank wartete auf ihren Anruf. Tausend Aufgaben, die sie daran hindern würden, an ihn zu denken. Sie würde sich nicht fragen, wann sein Flugzeug startete und ob es sicher gelandet war. Und auch nicht, ob er an sie dachte.
Sie schloss
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