JULIA FESTIVAL Band 76
gewesen.
„Wer bist du?“, flüsterte Jonathan. „Und was machst du mit mir?“
„Ich weiß es nicht“, antwortete sie ehrlich und öffnete die Augen.
Sein Blick verriet Erregung und Erstaunen. Dann gab es einen lauten Knall, und der Ballsaal wurde mit einem Schlag stockfinster.
2. KAPITEL
„Was zum Teufel …“, fluchte Jonathan leise. Die Unterbrechung hätte zu keinem ungünstigeren Zeitpunkt kommen können. Oder war es vielleicht besser so gewesen? Schließlich hatte das, was als harmloser Kuss begonnen hatte, zu viel mehr geführt. Leidenschaft und Faszination war jetzt mit im Spiel. Wer weiß, was er noch mit der geheimnisvollen Cynthia gemacht hätte.
„Was ist denn passiert?“, flüsterte Cynthia. „Das Hotel ist noch ganz neu. Da kann doch wohl die Stromversorgung nicht überlastet sein.“
„Sicher nicht“, antwortete er. Aber er konnte keinen klaren Gedanken fassen, dazu war sein Blut zu sehr in Wallung – was durch Cynthias Brüste, die noch immer fest an seinen Körper gepresst waren, noch verstärkt wurde.
„Vielleicht haben wir wieder einen großen Stromausfall“, mutmaßte sie. Vor drei Jahren war die Stadt im Chaos versunken, als 36 Stunden lang kein Strom floss.
Jonathan gab keine Antwort. Eine düstere Vorahnung überkam ihn. Er starrte die Frau in seinen Armen an, obwohl er sie nicht sehen konnte. „Bleib hier“, sagte er zu ihr. „Die Leute werden in Panik geraten, und du könntest niedergetrampelt werden.“
„Aber du willst dich doch nicht in die rasende Menge wagen?“
„Ich habe keine andere Wahl.“
„Okay, ich warte so lange hier.“
Er drückte kurz ihren Arm und schob sich durch die Pflanzen, die am Eingang zur Nische standen. Schon jetzt unterhielten sich die Gäste aufgeregt, und am anderen Ende des Ballsaals kreischte eine Frau. Instinktiv tastete sich Jonathan zum Ausgang durch und stolperte über ein Tablett. Eine Gewissheit, von der er nicht wusste, woher sie kam, ließ ihn noch schneller gehen. Etwas Furchtbares war geschehen – und es hatte etwas mit seinem Bruder zu tun. Aufgeregte Rufe bestätigten seine schlimmsten Vorahnungen. „Schnell! Rufen Sie einen Rettungswagen!“
Endlich hatte Jonathan den Hotelausgang erreicht. Er trat hinaus, und im Sternenlicht konnte er verschwommen ein Auto erkennen. Oder zumindest das, was von dem Auto übrig war. Es war auf den Stromverteilerkasten geprallt, was sowohl den Stromausfall als auch den lauten Knall erklärte. Rauch stieg an der Stelle auf, wo vermutlich einmal der Motor gewesen war. Jonathan rannte zur Unglücksstelle, wo sich schon mehrere Menschen versammelt hatten. Plötzlich blieb er wie angewurzelt stehen. Vor ihm auf der Straße lag das Nummernschild, das sich beim Aufprall gelöst hatte. Jonathan kannte die Autonummer. Sie gehörte David.
„Alles in Ordnung mit Ihnen?“, fragte Detective Stryker Jonathan viel später.
Jonathan sah den Polizisten an und zuckte mit den Schultern. „Den Umständen entsprechend, ja. Ich habe mich schon besser gefühlt.“
Stryker, ein großer Mann von schätzungsweise Mitte Dreißig, nickte mitfühlend. „Ich weiß, das muss furchtbar für Sie sein. Der Notarzt hat gesagt, dass sie nicht gelitten haben – wenn das ein Trost für Sie ist.“
Jonathan gab keine Antwort. Er fragte sich, ob Stryker wohl einen Bruder hatte und ob er gut mit ihm auskam. Verrückt. Schließlich gingen ihn die Familienverhältnisse anderer Menschen nichts an. Gerade war ein Anruf vom Vanderbilt Memorial Hospital gekommen. David und seine Frau Lisa waren beide auf dem Weg ins Krankenhaus gestorben.
Strykers Handy klingelte. Unterdessen fragte sich Jonathan, was heute Abend eigentlich geschehen war. Im Moment begriff er noch gar nichts. Detective Stryker hatte ihm erklärt, dass ein tödlicher Unfall grundsätzlich von der Polizei genauer untersucht wurde. Noch konnte ein Fremdverschulden nicht ganz ausgeschlossen werden.
Detective Stryker beendete sein Gespräch und griff nach seiner Jacke. „Ich muss noch ein paar Nachforschungen anstellen. Es wäre denkbar, dass Ihr Buchhalter, dieser Hank, etwas mit dem Unfall zu tun hat. Sehr wahrscheinlich ist es nicht. Aber nach dem, was Sie mir erzählt haben, scheint er zu allem bereit zu sein, um die Sache zu vertuschen. Die Typen, mit denen er sich eingelassen hat, schrecken sowieso vor nichts zurück. Und es war ihm sicher klar, dass nur Sie und David über die Unterschlagungen Bescheid wussten.“ Er sah Jonathan besorgt an.
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