JULIA FESTIVAL Band 78
wollen. Als er sie zärtlich auf den Mund küsste, erinnerte sie sich … an ihren allerersten Kuss an ihrem sechzehnten Geburtstag.
Sie hatte so gehofft, dass sie ihren ersten Kuss von Simon bekommen würde. Wie sie sich danach gesehnt hatte, dass er sie für erwachsen genug hielt! Und es war so … richtig gewesen und so schön, zuerst nur ein sanfter Druck seiner Lippen auf ihren und dann …
Wie damals liebkoste Simon sie jetzt verführerisch und erregend mit der Zunge … Doch sie sollte ihn das nicht tun lassen. Es war falsch, dass er diese Empfindungen in ihr auslöste. Sie war nicht mehr sechzehn. Auch nicht siebzehn. Trotzdem wollte sie wissen, ob zwischen ihnen wohl noch alles genauso sein würde wie vor elf Jahren.
Simon hörte auf, sie zu küssen, und sah auf. „Ein neuer Anfang“, flüsterte er und streichelte mit den Fingerspitzen ihre Wange.
Die Berührung ging ihr zu Herzen, und Rowena träumte davon, noch einmal ihre Jugend zu durchleben. Nein, das ist unmöglich, sagte ihr Verstand. Die Realität war stärker, und Rowena wusste, dass sie sich ihr stellen musste. „Wir können nicht zurückgehen, Simon.“
„Wir können gemeinsam in die Zukunft gehen. Ich mache mich jetzt auf den Weg und ergreife Maßnahmen, um es dir zu beweisen.“
Als sich Rowena wieder gefasst hatte, war Simon bereits in der Diele. „Dir ist nicht klar, wie schwierig es wird. Da ist Emily …“
Er blieb stehen und drehte sich um. „Ich freue mich darauf, sie kennenzulernen.“
„Sie ist älter als Sarah.“
„Das hat Jamie mir erzählt. Keine Sorge. Damit komme ich schon zurecht.“ Simon lächelte. „Ich werde gegen alle deine Drachen kämpfen, Rowena. Ich habe eine Aufgabe zu erfüllen.“
Und mit diesen weltfremden, idealistischen Worten ging er.
Sein verwegenes Lächeln prägte sich ihr unauslöschlich ein. Er wusste es nicht. Er begriff es nicht. Ihn kümmerte es nicht, welche Hindernisse er überwinden musste. Er hatte eine Aufgabe zu erfüllen.
8. KAPITEL
„Wie heißt die böse Hexe?“, fragte Emily wieder.
Rowena seufzte. Sie hatte ihrer Tochter behutsam die Situation erklärt, doch gegen Jamies Märchen kam sie nicht an. Es übte eindeutig einen größeren Reiz aus. Für Kinder gab es nur Schwarz oder Weiß, wenn sie sich ein Urteil bildeten. Grautöne zu berücksichtigen war wahrscheinlich zu schwierig.
„Ihr Name ist Adriana Leigh, und sie ist keine böse Hexe, das habe ich dir doch gesagt“, erwiderte Rowena, deren Geduld allmählich ziemlich strapaziert war. Sie beugte sich vor und küsste ihre ältere Tochter auf die Stirn.
„Und ob sie das ist! Sie hat uns Daddy weggenommen“, widersprach Emily verdrießlich.
„Dein Vater wollte fortgehen.“
„Sie hat ihn verzaubert“, mischte sich Sarah ein. „Das machen böse Hexen.“
Das ist eine recht gute Beschreibung dessen, was passiert ist, dachte Rowena. Obwohl es nicht allein Adrianas Schuld war. Wenn sie es nicht gewesen wäre, hätte Phil früher oder später eine andere kennengelernt. Adriana hatte nur einen Prozess beschleunigt, der bereits im Gang gewesen war.
„Können wir den Zauber aufheben, Mom?“, fragte Emily hoffnungsvoll.
Rowena strich ihr zärtlich übers Haar. „Leider nicht, Liebling. Aber dein Vater hat gesagt, er würde euch besuchen.“
„Wann?“
„Wenn er dazu bereit ist, denke ich.“
„Weihnachten?“
„Ich weiß nicht. Vielleicht.“
„Sollte er besser. Oder sie ist wirklich eine böse Hexe“, meinte Emily.
Im Stillen konnte Rowena ihr nur zustimmen. Adriana leistete Phils Fehlern Vorschub, ohne sich darum zu kümmern, wer verletzt wurde. Andererseits entband ihr Einfluss Phil nicht von der Verantwortung für sein Handeln.
Rowena gab Emily einen zweiten Gutenachtkuss. „Jetzt schlaf, und mach dir keine Gedanken mehr darüber. Daddy wird anrufen und Bescheid sagen, wann er kommt. Okay?“
„Ja, Mom.“ Emily kuschelte sich gehorsam in ihr Kissen.
Auf dem Weg zur Tür sah Rowena noch einmal nach Sarah. Sie lag friedlich und zugedeckt in ihrem Bett, hatte jedoch das letzte Wort, als Rowena das Licht ausschaltete.
„Jedenfalls haben wir den Prinzen. Und er wird ganz sicher zu uns halten, Emily.“
Und das tröstet die beiden Mädchen mehr als alles, was ich ihnen hätte sagen können, gestand sich Rowena wehmütig ein. Aber was, wenn der Prinz versagte und seine Aufgabe nicht erfüllte? Sie mochte gar nicht daran denken, wie verstört die Kinder sein würden, wenn das Märchen in sich
Weitere Kostenlose Bücher