JULIA FESTIVAL Band 78
zusammenfiele. War sich Simon auch nur ansatzweise darüber im Klaren, was er da in Gang gebracht hatte und welche Folgen es haben könnte?
Jamie wartete in der Küche auf sie. Er saß wieder auf dem Hocker an der Theke und tat so, als würde er in dem Buch lesen, das aufgeschlagen vor ihm lag. „Bist du böse auf mich, Mom?“, fragte er, sobald Rowena hereinkam.
Was er getan hatte, war nicht mehr zu ändern. Vorwürfe waren sinnlos. Außerdem würde ja vielleicht alles gut werden. „Gib mir eine Chance“, hatte Simon gesagt. Jetzt hatte sie keine andere Wahl. Sie lächelte ihren Sohn an. „Nein, ich bin dir nicht böse, Jamie.“
Seine Miene hellte sich vor Erleichterung auf. Er vergaß, dass er vernünftig und beherrscht wie ein Erwachsener sein wollte, und lächelte breit. „Die Blumen sehen toll aus, stimmt’s?“
Hinter ihm, auf dem Couchtisch im Spielzimmer, stand die Vase mit dem üppigen Strauß aus weißen Glockenblumen, dunkelroten Lilien, scharlachroten Nelken und gelben Margeriten. Die Blumen waren gebracht worden, kurz nachdem Emily aus der Schule gekommen war, und auf der Karte, die am Strauß befestigt war, stand: „Um dich aufzuheitern. Simon.“
Es hatte dem Märchen etwas Wirkliches verliehen.
Und Rowena musste zugeben, dass es ihr gut getan hatte. Phil hatte ihr schon seit Jahren keine Blumen mehr geschenkt. „Sie sind wunderschön, Jamie. Das war sehr nett von Simon“, fügte sie herzlich hinzu, denn sie wollte nicht, dass ihr Sohn sich schuldig fühlte, weil er ohne ihr Wissen zu Simon gegangen war.
„Er hat mir erzählt, wie ihr durch den Unfall und all das getrennt worden seid. Wir bedeuten ihm viel, Mom. Das ist mir klar geworden, als wir uns unterhalten haben.“
„Ja, das tun wir wohl“, stimmte Rowena zu. Sie wünschte, sie hätte jenes „und all das“ gehört. Was waren die guten Gründe, warum Simon sie nicht aufgesucht hatte, als er damals aus Kalifornien nach Australien zurückgekehrt war? Nicht, dass es jetzt noch eine Rolle spielte.
Ein neuer Anfang. Machte Simon ihr mit Blumen den Hof?
„Du brauchst keine Angst mehr zu haben, dass Dad gemein werden könnte. Simon hat gesagt, er würde alles regeln“, berichtete Jamie zufrieden.
Rowena hoffte nur, dass sein Vertrauen in den Vater, den er gerade erst kennengelernt hatte, gerechtfertigt war. Sie konnte ihre Bedenken nicht einfach beiseite schieben. Wie würde es jetzt, da sich Simon eingeschaltet hatte, weitergehen? „Ich finde es nicht richtig, dass du ihn beim Vornamen nennst, Jamie“, sagte sie stirnrunzelnd.
„Das hat er vorgeschlagen. Er meinte, es ist für Emily und Sarah leichter, wenn wir ihn alle Simon nennen. Damit sie mit den Vätern nicht durcheinanderkommen. Ich halte das auch für eine gute Idee.“
Rowena war erstaunt und beeindruckt, dass Simon über die Reaktion der Mädchen auf ihn nachgedacht hatte, bevor er ihnen überhaupt begegnet war. Es zeigte, dass ihn ihr Wohl wirklich interessierte. „Was ist mit dir, Jamie? Wolltest du Dad zu ihm sagen?“
„Nein. Noch nicht, jedenfalls.“
Für ihn war es zu früh. Ein zu großer Schritt gleich am ersten Tag. Phil war so lange sein Vater gewesen, dass es Jamie unmöglich war, ihn einfach gegen einen anderen auszutauschen, der im Grunde ein Fremder für ihn war. „Was denkst du über Simon?“
Jamie lächelte wieder breit. „Er hat alle meine Tests bestanden, Mom. Viel besser hätte ich es wohl nicht treffen können, was meinen leiblichen Vater angeht.“
„Hoffentlich hält er, was sein Prüfungsergebnis verspricht.“
„Bis jetzt macht er seine Sache gut.“
„Die Zeit wird es zeigen, Jamie“, sagte Rowena. Würde Simon ihre Tests auch bestehen? Sogar ihr Sohn hütete sich vor zu großen Erwartungen. Wenn man einmal zurückgewiesen worden war, vergaß man das nicht so leicht.
Rowena beschloss, vorsichtig zu sein. Sie war von Phil in die Wüste geschickt worden, und in solch einer Situation war es natürlich verlockend, auf einen fliegenden Teppich zu springen und durch ein Märchenland zu reisen. Aber sie durfte die Gefahren nicht außer Acht lassen.
Am nächsten Tag wurde Rowena jedoch eines Besseren belehrt, was ihre Bedenken betraf. Um zehn Uhr kam der Postbote und brachte nicht nur Weihnachtskarten, sondern auch einen Brief von einer Bank in Chatswood. Es handelte sich nicht um die Bank, mit der Phil normalerweise zu tun hatte, und das Schreiben war an sie adressiert. Verwirrt öffnete Rowena den Umschlag und las den
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