Julia Festival Band 86
über seinen Irrtum aufklären, doch was hatte das jetzt noch für einen Sinn? Morgen früh würde sie sein Haus verlassen …
„Lucy? Ist alles in Ordnung?“ Susannah lächelte sie an, doch ihr Blick drückte Besorgnis aus.
„Aber ja“, antwortete Lucinda heiter. „Ich habe nur über Joes Bemerkung nachgedacht, und ich fürchte, er hat recht. Wir dürften kaum in den gleichen Kreisen verkehrt haben.“
„Darüber können wir uns ein andermal unterhalten. Vielleicht bei einer Tasse Kaffee. Dann lernen wir uns auch gleich noch besser kennen.“
„Ja, gern“, erwiderte Lucinda und hasste sich für diese erneute Lüge.
Aber keine Lüge war so quälend wie die, die sie sich selbst erzählte. Dass sie Joe hasste. Dass sie nichts für ihn empfand. Dass er nicht der umwerfendste Mann war, dem sie je begegnet war …
Unvermittelt sprang sie auf. „Ich … muss mir kurz die Nase pudern“, erklärte sie, als die anderen sie verblüfft ansahen.
„Gute Idee“, sagte Susannah und stand auf.
Auch die Männer erhoben sich galant. „Frauen“, meinte Matt, „sind die einzigen Wesen auf der Welt, die gemeinsam dorthin gehen.“
„Das machen wir, um über euch zu reden“, erwiderte Susannah zärtlich.
Doch sie redeten nicht über Männer. Sie sprachen überhaupt erst miteinander, als sie sich in den Marmorbecken die Hände wuschen.
„Es muss schwer für dich sein, so zu tun, als ob“, sagte Susannah mitfühlend.
Lucinda sah auf, und ihre Blicke begegneten sich im Spiegel. „Was meinst du?“
„Vorzugeben, du würdest dich amüsieren, trotz der wenig raffinierten Verhörmethode meines Mannes.“ Lächelnd trocknete Susannah sich die Hände ab. „Nimm es ihm bitte nicht übel. Er hängt sehr an Joe und ist einfach nur erstaunt, wie schnell alles gekommen ist.“
Lucinda spürte, dass sie errötete, und nahm sich eilig ein Handtuch. „Da gibt es nichts zu verübeln.“
„Wie lieb von dir. Weißt du, die beiden verhalten sich einander gegenüber sehr fürsorglich. Ich schätze, es hängt damit zusammen, dass sie schon früh ihre Mutter verloren haben.“
„Haben sie das?“
„Ja. Hat Joe dir das nicht erzählt?“
Lucinda zuckte die Schultern. „Wir hatten noch nicht viel Gelegenheit, über die Vergangenheit zu reden.“
„Natürlich nicht“, erwiderte Susannah lächelnd. „Ihr zwei habt euch so schnell ineinander verliebt. Aber ihr habt noch Jahre vor euch, um euch kennenzulernen.“
„Jahre“, wiederholte Lucinda und brach in Tränen aus.
„O Lucy!“ Entsetzt legte Susannah ihr den Arm um die Schultern. „Was ist los? Was habe ich gesagt?“
„Nichts. Du hast nichts gesagt … Es ist nur … die Dinge sind nicht so, wie sie scheinen. Joe und ich … wir sind …“
„Joe ist verrückt nach dir.“
Lucinda lachte und nahm sich ein Papiertaschentuch aus der Box, die auf der Ablage stand. „Das ist er nicht.“
„Doch. Ich sehe es, wann immer er dich anblickt.“
„Susannah …“
„Und du bist verrückt nach ihm.“
„Nein, das stimmt nicht.“ Lucinda putzte sich die Nase. „Ich kann es nicht erklären, aber wir sind nicht … Zwischen uns ist nicht …“
„Du bist verrückt nach meinem Schwager“, beharrte Susannah leise.
Ihre Blicke trafen sich im Spiegel, und Lucinda wusste, dass sie nicht mehr lügen konnte. „Wenn ich das bin“, antwortete sie mit bebender Stimme, „werde ich es bereuen.“
Sie öffnete die Tür, noch bevor Susannah etwas erwidern konnte, und ging zurück an den Tisch.
Aber auch hier war etwas passiert. Joe und Matt saßen stumm da und sahen sich nicht an. Und die übrigen Gäste warfen immer wieder verstohlen einen Blick zu ihnen herüber.
„Ist etwas?“, erkundigte Susannah sich schließlich.
„Nein“, sagten beide Männer mürrisch.
„Ich habe nur gefragt“, meinte sie liebenswürdig.
Wieder herrschte Schweigen. Es war etwas vorgefallen, daran bestand kein Zweifel. Lucinda spürte die feindselige Atmosphäre. Matt wirkte wütend, und Joes Miene war verbissen.
„Joe, hast du Lucy dein Boot schon gezeigt?“, erkundigte sich Susannah.
„Nein“, antwortete Joe schroff.
Sie zog die Brauen hoch, ließ sich jedoch nicht beirren. „Er hat dir noch nicht die Lorelei in all ihrer Schönheit vorgeführt?“, wandte sie sich lächelnd an Lucinda. „Und mach dich darauf gefasst, dass Matt dich danach auf die Enchantress einlädt und dir genauso von ihr vorschwärmt.“
Wieder herrschte Schweigen.
„Die Brüder Romano lieben
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