Julia Festival Band 86
verlassen?“, wiederholte sie betäubt. Ungläubig sah Debbie sie an. „Dawn hat Nick verlassen?“
„Ja.“ Chase rieb sich den Nacken. „Sie … sind wohl zum Flughafen gefahren und haben ihr Gepäck aufgegeben. Dann sind sie zum VIP-Warteraum gegangen. Ich habe ihre Tickets etwas aufgewertet, Annie, und ihnen eine Mitgliedschaft besorgt …“
„Verdammt, Chase, sag endlich, was passiert ist!“
Seufzend fuhr er fort: „Nick sagte, dass er ihnen was zu trinken holen wollte, und Dawn war es recht. Aber als er mit dem Kaffee zurückkam, war sie verschwunden.“
„Sie hat ihn nicht verlassen“, rief Annie entsetzt. „Sie ist entführt worden!“ Debbie blieb der Mund offen stehen. Hast du die Polizei alarmiert? Hast du …?“
„Sie hat einen Zettel hinterlassen“, erklärte Chase müde. „Darauf steht, dass es nicht deshalb ist, weil er ihr nichts bedeuten würde …“
„Sie hat gesagt, dass sie Nick liebt.“ Annie erhob die Stimme. „Dass sie verrückt nach ihm ist.“
„… aber“, sprach Chase weiter, „dass es nicht genug ist, wenn sie ihn liebt.“
„Nicht …?“
„Genug ist. Sie schreibt, dass sie keine andere Wahl hat, als die Ehe zu beenden, noch bevor sie begonnen hat.“
„Oje. Das klingt so düster.“
Chase nickte, als ob Annie ihn sehen könnte. „Nick ist vollkommen außer sich, genau wie ich.“ Seine Stimme wurde rau vor Gemütserregung. „Er hat überall nach ihr gesucht, aber er kann sie nicht finden. Mein Gott, wenn unserem kleinen Mädchen irgendetwas passiert ist …“
Annie hob den Kopf. Leise, fast unhörbar, wurde die Vordertür geöffnet und dann wieder geschlossen. Langsam näherten sich Schritte.
„Mom?“
Dawn stand in der Tür, bekleidet mit dem Hosenanzug, den sie für die Reise gekauft hatten. Die winzigen Orchideen am Revers ließen traurig den Kopf hängen. Dawns Augen waren rot und geschwollen.
„Kleines?“, flüsterte Annie.
Dawn lächelte, wobei ihre Lippen jedoch bebten, und dann brach sie in Tränen aus.
„Oh, Mommy“, jammerte sie, und Annie ließ das Telefon fallen und öffnete ihre Arme.
Ihre Tochter flog durch den Raum und barg den Kopf in Annies Schoß.
Debbie hob das Telefon vom Boden auf.
„Zum Teufel noch mal“, brüllte Chase. „Wer ist da? Was ist da los?“
„Ich bin eine Freundin von Annie“, erklärte Debbie. „Sie und Nick können aufhören, sich Dawns wegen zu beunruhigen. Sie ist gerade hereingekommen.“
Chase signalisierte Nick ein Okay-Zeichen, und dieser eilte an seine Seite.
„Ist meine Tochter in Ordnung?“
„Ja, sie scheint …“
Chase knallte den Hörer auf, und er und Nick stürmten aus dem Zimmer.
Der Mond war aufgegangen, in eine Wolkenbank aufgestiegen und verschwunden.
Leise seufzend, knipste Chase die Lampe neben seinem Stuhl an und wünschte, er könnte so etwas auch innerlich tun. Vielleicht würden die anderen dann endlich aufhören, ihn so anzustarren, als wäre er in der Lage, eine Lösung in dieser unmöglichen Situation herbeizuzaubern.
Doch die Wahrheit war eben schlicht und einfach, dass unmögliche Situationen unwahrscheinliche Lösungen erforderten, und ihm fiel keine ein. Sein Kopf schien wie leergefegt.
Noch vierundzwanzig Stunden zuvor hätte Chase seine Tochter zu ihrem Schritt beglückwünscht. Da hätte er fast alles darum gegeben, wenn Dawn beschlossen hätte, die Hochzeit noch aufzuschieben, bis sie älter und hoffentlich auch klüger war.
Müde schloss Chase die Augen. Aber das hatte sie nun mal nicht getan. Dawn und Nick waren nun aneinander gebunden, sowohl kirchlich als auch vor dem Gesetz. Diese Bindung zu lösen stellte sich jetzt sehr viel schwieriger dar als noch vor wenigen Stunden. Und dass Dawn weinte und wieder und wieder versicherte, dass sie Nick von ganzem Herzen liebte, sie nur nicht mit ihm verheiratet sein konnte, wollte und durfte, half auch nicht weiter.
Niemand verstand, wovon sie redete.
Dennoch meinte Annie immer wieder beschwichtigend: „Ich verstehe dich, Schätzchen“, und wiegte sie in ihren Armen.
„Was verstehst du?“, wollte Chase entnervt wissen, nachdem es Annie gelungen war, Dawn dazu zu überreden, sich hinzulegen und ein wenig zu schlafen.
„Verdammt, Annie!“, brüllte Chase, woraufhin Dawn erneut haltlos zu schluchzen angefangen hatte, Nick besorgt herbeigeeilt kam und Annie Chase mit einem erbosten Blick bedacht hatte.
„Schau, was du jetzt wieder gemacht hast!“, fuhr sie ihn an und schlug ihm die Tür zu
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