Julia Festival Band 86
Dawns Zimmer vor der Nase zu.
Chase stöhnte. Er saß in der Diele und war hundemüde. Seit Stunden war aus dem Zimmer seiner Tochter kein Laut mehr zu hören. Dawn und Annie schliefen vermutlich, und selbst Nick war auf dem Sofa im Wohnzimmer erschöpft eingenickt.
Vielleicht könnte ich ja auch ein bisschen dösen, und wenn’s nur für fünf Minuten ist, dachte er und ließ den Kopf nach hinten sinken.
„Verdammter Stuhl!“, fluchte er.
Er hatte vergessen, dass Annie all die gemütlichen Möbel von früher hinausgeworfen und sich stattdessen mit altem Trödel eingerichtet hatte. Antiquitäten nannte sie die Sachen, aber für ihn war es nichts anderes als Trödel – Sofas und Tische mit albernen Beinchen, Stühle ohne Kopfstützen …
„Wenn du diesem Stuhl einen Tritt versetzt, Chase Cooper, dann kriegst du einen Fußtritt in den Allerwertesten, das schwöre ich!“
Chase fuhr herum. Seine Exfrau stand an der Tür. Statt des festlichen Kleides von gestern trug sie jetzt Jeans und ein Sweatshirt. Und aus der Art und Weise, wie zerrauft ihr Haar aussah und sie die Hände in die Hüften gestemmt hatte, schloss er, dass ihre Laune nicht viel besser war als die seine.
„Das Ding hat einen Tritt verdient“, murrte er, ging jedoch zur Seite und ließ sie an sich vorbei. „Wie geht es Dawn?“
„Sie schläft.“ Annie schüttelte die Stuhlkissen auf und legte sie wieder ordentlich zurecht. „Und Nick? Ich nehme an, er ist noch da?“
„Ja, er schläft, im Wohnzimmer.“
„Und ist er okay?“
„Na ja, so okay, wie man in Anbetracht der Dinge sein kann. Hat unsere Tochter dir inzwischen erzählt, was genau mit ihr los ist?“
Annie blickte Chase an und strich sich dann die Locken aus dem Gesicht.
„Wie wär’s mit einem Tee?“ Ohne seine Antwort abzuwarten, ging sie in die Küche. „Es sei denn, du möchtest lieber Kaffee?“, meinte sie und schaltete das Neonlicht ein.
„Tee ist gut“, meinte Chase, der in dem plötzlichen grellen Licht müde blinzelte. Er setzte sich auf einen der Hocker an der Frühstückstheke.
Annie riss einen der Küchenschränke auf, holte eine Schachtel Teebeutel heraus und stellte sie auf die Arbeitsplatte. „Willst du einen Keks dazu?“
„Nur Tee, danke“, erwiderte er. „Was hat Dawn gesagt?“ Seine Augen verengten sich. „Hat Nick sie etwa misshandelt?“
„Nein, natürlich nicht. Gib mir bitte zwei Becher, ja? Da drüben im Schrank, gleich neben dir.“
„Mir scheint er auch nicht der Typ dafür zu sein.“ Chase nahm zwei weiße Porzellanbecher aus dem Schrank und schob sie die Theke entlang auf Annie zu. „Aber wenn er unserer Tochter auch nur ein einziges Haar gekrümmt hat …“
„Tu mir einen Gefallen, und krieg dich wieder ein, ja? Ich hab’ dir doch schon gesagt, dass es nicht das ist. Nick ist ein feiner Kerl.“
„Na gut, was ist es dann?“
Annie warf ihm einen kurzen Blick zu. „Es … Ach, es ist kompliziert. Nimmst du noch immer zwei Löffel Zucker, oder hast du mittlerweile gelernt, ohne das Zeug auszukommen?“
„Zwei Löffel, und hör auf mit der Nörgelei.“
Annie gab den Zucker in Chases Becher und rührte energisch um. „Du hast recht. Du kannst dich in Zucker wälzen, mir ist das egal. Deine Gesundheit ist nicht mehr länger mein Problem, sondern ihres.“
„Ihres?“
„Janet Pendletons.“
„Oh.“ Seine Wangen röteten sich. „Janet.“
Annie stellte den Becher so heftig vor ihn hin, dass etwas von der heißen, bernsteinfarbenen Flüssigkeit über den Rand auf Chases Finger schwappte.
„Richtig. Soll sich doch deine Verlobte um dein Gewicht Sorgen machen.“
„Um mein Gewicht muss sich niemand Sorgen machen“, er klärte Chase und zog dabei heimlich den Bauch ein.
Stimmt, dachte Annie säuerlich, als sie auf einen Hocker neben ihm rutschte. Er sieht immer noch so gut gebaut und attraktiv aus wie an dem Tag unserer Hochzeit – oder der Scheidung. Noch ein männlicher Vorteil. Männer müssen sich nicht den Kopf über die unangenehmen Veränderungen zerbrechen, die das mittlere Alter mit sich bringt. Zum Beispiel über die Falten, die eine Janet Pendleton nicht hat. Oder das schwache Bindegewebe, das Chases niedliche kleine Sekretärin auch nicht hatte.
„… ihn normal zu machen. Das ist doch nicht mit Dawn und Nick passiert, oder?“
Annie runzelte die Stirn. „Wovon sprichst du?“
„Von der Realität. Ich hab’ gerade erzählt, dass ich neulich von diesem Kerl gehört habe, der ein Mädchen
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