Julia Festival Band 86
sie die einzige Frau sei, die er je gewollt hatte, die einzige, die er je geliebt hatte.
„Chase?“
„Ja“, brummte er. „Die Sache ist die: Wir haben eins vergessen. Vor morgen gibt es keinen Flug. Und auch kein Hotelzimmer.“
„Ach ja.“ Annie knabberte an ihrer Unterlippe. „Hm, das macht nichts. Ich warte am Flughafen.“
„Das ist keine gute Idee.“
„Das ist eine hervorragende Idee.“ Sie lächelte, so gut sie konnte. „Ich habe Flughäfen schon immer gemocht. Ich kann mir ein Dutzend Zeitschriften kaufen und einen Hotdog und mich in eine Ecke zurückziehen …“
„Hör zu, wir bleiben hier, aber wir fangen noch einmal von vorn an. Mit neuen Grundregeln. Die Vergangenheit und wir beide sind als Gesprächsthema tabu. Okay?“
„Die Vergangenheit und wir beide sind das Einzige, was wir haben“, wandte Annie leise ein. „Ich sehe nicht, wie wir diese Themen vermeiden könnten.“
Chase sah sie lange an. Dann seufzte er und fuhr sich mit den Fingern durchs Haar. „Ich gehe und suche den Mann, der uns hergefahren hat. Er kann uns aufs Festland zurückbringen. Dann rufe ich Tanaka an und bitte ihn, seine Beziehungen spielen zu lassen, damit wir für dich irgendwo ein Zimmer kriegen. Oder ich bleibe so lange bei dir am Flughafen, bis du einen Flug bekommst.“
„Das ist nicht nötig.“
„Darüber können wir später noch reden. Jetzt will ich erst mal die Dinge in Gang setzen.“
„Was wirst du deinem Mr. Tanaka denn erzählen? Ich meine, weshalb wir von der Insel weg wollen?“
„Das lass ruhig meine Sorge sein. Das ist mein Problem, Annie, nicht deins.“ Damit verließ Chase den Raum.
Annie begann zu schaukeln, lehnte sich zurück und schloss die Augen.
„Er ist nicht mehr da.“
Annie blinzelte und stellte die Füße auf den Boden. „Wer? Wer ist nicht mehr da?“
Mit verschränkten Armen lehnte Chase an der Wand. Seine Züge wirkten wie aus Granit gemeißelt.
„Der Kerl, der uns rübergefahren hat.“
„Ich … verstehe nicht ganz. Du meinst, der mit dem Boot?“
„Hmmm.“
„Wie kann das sein? Er kann doch nicht …“ Der Ausdruck in Chases Gesicht war undurchdringlich, und ihr stockte der Atem. „Soll das heißen, er hat das Boot mitgenommen?“
„Du hast es erfasst.“
Annie starrte ihn an. „Wir sitzen hier fest?“
„Ganz recht.“
„Na, dann ruf deinen Mr. Tanaka an. Sag ihm …“
„Erstens: Er ist nicht mein Mr. Tanaka. Zweitens habe ich schon längst probiert, ihn anzurufen.“
„Ja, und?“
„Es ist kein normales Telefon“, erwiderte er achselzuckend. „Sondern irgend so ein Funkgerät, und es scheint nicht zu funktionieren.“
Chase quälte sich ein Lächeln ab. „Der Bootsmann hat einen Zettel in der Küche hinterlassen. Sieht aus, als müssten wir bis morgen hier ausharren.“
„Wieso lässt er uns hier so sitzen?“
„Ich hab’ keine Ahnung, wieso. Und ehrlich gesagt, es ist mir auch egal. Fakt ist, dass wir das Beste aus der Situation machen müssen, bis der Trottel mit dem Boot morgen Früh um acht hier wieder auftaucht.“
„Um acht“, wiederholte Annie. Sie war wie betäubt. Sechzehn Stunden allein mit ihrem Exehemann.
„Und lass uns das gleich klarstellen“, sagte Chase, „diese Umgebung, dieses Flitterwochen-Hotel. Das war nicht meine Idee, da kannst du sicher sein.“
„Das hoffe ich für dich. Denn falls doch, dann wirst du eine Enttäuschung …“
Chase packte sie bei den Schultern und zog sie vom Schaukelstuhl. „Lady, ich habe meinen Anteil an Beleidigungen gehabt! Und ich versichere dir, ich bin nicht so verzweifelt auf eine Frau angewiesen, die mir das Bett wärmt, dass ich mir so viel Mühe geben müsste, so was zu arrangieren.“
Er hatte recht, und Annie wusste es. Chase hatte es nicht nötig, Zuflucht zu einer solchen List zu nehmen, um eine Frau in sein Bett zu bekommen. Er war … Wie hatte Debbie sich nach der Hochzeit noch einmal ausgedrückt? Gut gebaut, das war’s. Er war gut gebaut und war es auch schon immer gewesen, vor allem jetzt, in seinen besten Jahren. Chase war ein Mann, dem die Frauen nachschauten, ohne dass er es darauf anlegte.
Kein Wunder, dass ich ihn so oft mit irgendeinem lächelnden Flittchen am Arm in der Zeitung abgebildet sehe, dachte Annie im Stillen. Nur dass sie eben keine Flittchen sind. Wenn ich schon dabei bin, mir die Wahrheit einzugestehen, kann ich auch das zugeben. Die Frauen auf den Fotos in Begleitung ihres Exmannes waren ausnahmslos schön und elegant. So
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