Julia Festival Band 86
habe, weil du mehr als deutlich gemacht hast, wie sehr du diese Diners verabscheutest?“
Annies Wangen röteten sich. „Jetzt versuch nicht, die Dinge zu verdrehen. Na gut, vielleicht haben mir diese steifen Abendveranstaltungen nicht besonders gefallen, aber …“
„Ah, endlich sagt die Frau die Wahrheit!“
„Warum hätten sie mir denn gefallen sollen? Wir sind doch nur hingegangen, damit du dir wieder eine Schlagzeile im Wirtschaftsteil der Zeitungen sichern konntest!“
Chases Augen verengten sich. „Wir sind hingegangen, damit ich mir Aufträge verschaffen konnte, Annie. Verstehst du? Jobs, die uns das Brot auf den Esstisch brachten.“
„Ach, komm schon, Chase. Damals hatten wir mehr als genug Geld. Du wolltest nur deinem Ego seine Streicheleinheiten verpassen.“
Sein Kiefer wurde hart. „Sprich nur weiter“, meinte er sanft. „Was hast du noch all diese Jahre in dir aufgestaut?“
„Nur dass du, als ich schließlich gesagt habe, dass ich keine Lust mehr habe, dich zu begleiten, einfach die Schultern gezuckt hast und einverstanden warst, anstatt mich zu bitten, es mir doch noch mal zu überlegen.“
Chase lachte kurz auf. „Soll das heißen, ich hätte versuchen sollen, dich zu etwas zu überreden, was du ganz offensichtlich nur ungern getan hast?“ Er ergriff Annie beim Handgelenk, als sie an ihm vorbeigehen wollte. „Hast du tatsächlich erwartet, dass ich vor dir auf die Knie falle und dich anflehe, deine Abende mit mir zu verbringen anstatt mit einem bescheuerten Lehrbuch nach dem andern?“
„Na klar. Wälz nur alles auf mich ab – sogar, dass ich mich bemüht habe, mich zu bilden. Es ist immer nur alles meine Schuld gewesen, nie deine.“
„Dich zu bilden?“ Sein Blick war finster. „Um was zu erreichen, ha? Dass du mir sagen konntest, du wüsstest mehr über Haiku als ich darüber, wie man Häuser baut?“
„So ist es überhaupt nicht gewesen, das weißt du genau.“ Ärgerlich versuchte Annie, sich aus Chases Griff zu befreien. „Du hast es einfach nicht ertragen zu sehen, dass ich eine ganze Person geworden bin, anstatt ausschließlich Mrs. Chase Cooper zu sein.“
„Meine Frau zu sein, genügte also nicht, um dich glücklich zu machen?“
„Die Frau zu sein, die deine Mahlzeiten zubereitete, dein Haus sauber hielt und dein Kind erzog, meinst du wohl.“ Annies Stimme zitterte. „Die abends auf dich wartete, während du dein Imperium aufgebaut hast. Diejenige, der befohlen wurde, schicke Abendkleider und Schmuck zu kaufen, sodass sie zu Treffen der Handelskammer mitgeschleppt werden konnte als Spiegel der Wichtigkeit ihres Ehemannes!“
Chase summte es in den Ohren. Er ließ Annies Handgelenk los und trat einen Schritt zurück. „Wenn du das glaubst“, sagte er, seine Stimme so leise und drohend, dass sich Annies Nackenhaare sträubten. „Wenn du wirklich glaubst, dass es das ist, was du mir bedeutet hast, dann ist es eine verdammt gute Sache, dass unsere Ehe damals zu Ende ging.“
Annie starrte in sein weißes Gesicht mit den zusammengepressten Lippen.
„Chase“, sagte sie und streckte die Hand aus, aber zu spät. Er war schon fort und auf dem Korridor, wo er gleich darauf verschwand.
7. KAPITEL
Unglaublich!
Chase ging den Kiesweg entlang, der vom Haus in das Wäldchen führte.
Es war nicht nur unglaublich, sondern einfach unfassbar, dass Annie ihn derartig verabscheut hatte; es verabscheut hatte, mit ihm verheiratet zu sein, und das über so viele Jahre …
Er vergrub die Hände in den Hosentaschen und verlangsamte seine Schritte, wobei er ein Eichhörnchen mit einem finsteren Blick bedachte, das ihn von den Zweigen einer Zeder herab anschimpfte.
Chase kannte viele Männer, die geschieden waren. Sie begegneten ihm überall: im Fitness-Studio, in den Vorstandssitzungen, auf dem Bau … Es kam ihm fast so vor, als könne man keinen Stock in einer Stadt in den USA werfen, ohne einen armen Kerl zu treffen, der vom Familienvater zu einem Mann geworden war, der Essen aus der Mikrowelle für ein Feinschmeckergericht hielt.
Das Bild des fröhlichen Junggesellen mit einem schwarzen Adressbüchlein voller Namen und Adressen stammte aus dem Kino. Die geschiedenen Männer jedenfalls, die Chase traf, waren fast alle wie er selbst Männer, die einmal alles gehabt hatten und denen nun nichts mehr geblieben war als lauter Fragen.
Ein bitterer Geschmack breitete sich in seinem Mund aus.
„Was denkt sie eigentlich?“, brummte er vor sich hin und stieß mit der
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