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Julia Festival Band 86

Julia Festival Band 86

Titel: Julia Festival Band 86 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Marton
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Fußspitze einen Kiefernzapfen vom Pfad. „Glaubt sie etwa, dass es mir Spaß gemacht hat, wie ein Sklave zu schuften? Denkt sie, es war eine tolle Zeit für mich, als ich mir den Rücken krumm gearbeitet und die halbe Nacht über Büchern geschwitzt habe?“
    Das Gelände ging nach oben, die Bäume drängten sich dichter von beiden Seiten, und eine kühle, salzige Brise blies Chase ins Gesicht. Er sog sie tief in seine Lungen ein, senkte dann den Kopf und stiefelte weiter.
    Wenigstens ist jetzt alles offen ausgesprochen, dachte er. Annie hatte sich während der Trennung so distanziert verhalten wie eine Sphinx. Abgesehen von der einen fürchterlichen Szene, als Annie ins Büro hereingeplatzt kam und gesehen hatte, wie Peggy sich und ihn in eine peinliche Situation gebracht hatte, abgesehen davon, war die Trennung die zivilisierteste Angelegenheit unter der Sonne gewesen.
    Keine harten Worte, kein Geschrei, keine Vorwürfe. Nichts. Sie hatten sich beide höflich und korrekt benommen, sodass sogar Chases Anwalt Witze darüber gerissen hatte.
    „Ich hatte mal einen Jura-Professor, der zu sagen pflegte: Der einzige Mann, der während seines Scheidungsverfahrens die Stimme nicht erhebt, ist einer, dem seine Beinahe-Exfrau schon die Kehle aufgeschlitzt hat“, meinte David, woraufhin Chase gegrinst hatte: „Du mit deiner Erfahrung musst es ja wissen.“
    Chase schüttelte den Kopf. Nein, Annie hatte ihn nicht umgebracht, als sie glaubte, er sei ihr untreu gewesen. Sie hatte fünf Jahre lang gewartet, und nun saß der Dolch umso tiefer.
    Im Grunde genommen, dürfte es mich gar nicht so verletzen, dachte er. Jetzt, da sie nicht mehr meine Frau ist, mir nicht mehr das Geringste bedeutet.
    Chase trat unter den Bäumen hervor. Er befand sich auf einem hohen Felsenkliff, das in den dunkelgrünen Pazifik hinausragte.
    Wem mache ich hier eigentlich was vor?, fragte er sich. Annie bedeutet mir alles. Das war schon immer so, und das wird auch immer so sein.
    Annie saß auf dem Rand des runden Bettes, die Hände im Schoß gefaltet.
    Tja, nun bin ich endlich einmal alles losgeworden. Seufzend ließ sie sich in die Kissen fallen und legte einen Arm über die Augen.
    Warum mache ich mir etwas vor? Weder die Kränkung noch die Wut bin ich losgeworden. Kaum eine Woche vergeht, in der mich nicht irgendetwas daran erinnert, wie unglücklich ich in meiner Ehe gewesen bin und wie sehr ich Chase verabscheut habe. Aber es war zumindest gut, dass ich das alles einmal offen ausgesprochen habe.
    Tränen stiegen ihr in die Augen.
    Das stimmt ja gar nicht. Meine Ehe war nicht unglücklich, jedenfalls nicht in den ersten Jahren. Ich war so verliebt und glücklich, dass ich mich manchmal kneifen musste, um mich zu vergewissern, dass ich nicht träume.
    Und Chase habe ich nie verabscheut. Der Himmel weiß, dass dies vieles leichter gemacht hätte. Denn dann hätte mir die Erkenntnis, dass er mich überflügelt hatte und mich nicht mehr liebte, nicht so furchtbar wehgetan.
    Annie stieß einen Seufzer aus, erhob sich und stellte sich an die Glaswand. Die Aussicht war atemberaubend: das tiefgrüne Wasser in der einen Richtung und ein Hain windzerzauster Zypressen, der sich in die andere Richtung erstreckte. Die alten Bäume sahen aus, als stünden sie schon seit Ewigkeiten hier, das Haus sicher vor Unheil bewahrend und beschützend.
    Ein Lächeln huschte über Annies Lippen. Dieses Gefühl hatte sie immer Chase gegenüber empfunden. Sie waren einander begegnet, als sie beide noch so jung waren, dass es ihr vorkam, ihn bereits ihr ganzes Leben lang zu kennen. Und Chases Arme waren immer Annies sicherer Hafen gewesen.
    Die Kehle wurde ihr eng. Annie lehnte den Kopf an die Scheibe und drückte die Stirn an das kühle Glas.
    Mit all den Dingen, die sie ihm gerade an den Kopf geworfen hatte, hatte sie Chase verletzt, das wusste sie. Aber er hatte sie ebenfalls verletzt, indem er sie beschuldigte, dass sie sich nur aus dem Grund der Bildung verschrieben hatte, um ihm seine Unwissenheit im Hinblick auf die schönen Künste unter die Nase zu reiben.
    Annie wandte sich von dem Panorama ab und atmete tief ein. Nein. Niemals. Nie hätte sie etwas aus einem solch schäbigen Grund studiert. Sie hatte es genossen – die Dichtung, die Kunst, die neue Welt, die sich ihr dadurch eröffnete. Und wenn Chase sich von den aufgeschlagenen Büchern auf dem Küchentisch erdrückt gefühlt hatte, dann war das von ihrer Seite aus sicherlich keine Absicht gewesen.
    „Ich

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