JULIA FESTIVAL Band 95
endlich in die Tat umsetzen konnte.
Aber das Geld war Cole unwichtig. Ihn beschäftigte vielmehr der Tod dieses alten Mannes, den er nicht einmal gekannt hatte. Wenn er sich doch mit der Beantwortung des Briefes nur nicht so viel Zeit gelassen hätte! Jetzt war es zu spät. Cole war verzweifelt. Doch es war nicht das erste Mal in seinem Leben, dass er Trauer empfand, er sollte sich allmählich daran gewöhnt haben. Und doch, diesmal war da noch ein anderes Gefühl. Er brauchte etwas …
Ungeduldig nahm er seine Wanderung wieder auf. Plötzlich wusste er, was er brauchte: Elissa.
Ohne auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden, unter welchen Umständen sie sich vor drei Stunden getrennt hatten, machte er sich auf den Weg in ihr Zimmer. Obwohl die Tür halb geöffnet war, klopfte er leise an. Da keine Antwort kam, trat er ein. Er hörte ein Rumoren in ihrem Schlafzimmer und trat näher, um etwas zu sagen. Aber das Wort blieb ihm im Halse stecken, als er den Koffer auf ihrem Bett bemerkte. Das konnte nicht wahr sein. Sie durfte ihn nicht verlassen. Nicht jetzt, nicht in diesem Augenblick, wo er überhaupt nicht darauf vorbereitet war und sie so dringend brauchte. Er würde es nicht überleben.
Elissa war gerade dabei, ein Nachthemd einzupacken, als ihr Blick auf Cole fiel, der immer noch wie angewurzelt auf der Türschwelle stand.
„Wie geht es dir?“, fragte sie immer noch traurig. Sein Anblick hielt sie jedoch nicht davon ab, weiter zu packen.
Cole sah sie fassungslos an. Wie konnte sie fragen, wie es ihm ging?
„Cole?“ Elissa machte einen Schritt in seine Richtung. „Du siehst ja schrecklich aus. Ich weiß, dass dich die Sache mit deinem Großvater sehr getroffen hat, aber hast du noch etwas anderes? Stimmt etwas nicht?“
Cole stand da wie betäubt. Er war sich nicht einmal sicher, ob er noch atmete. Eigentlich war es ja auch unwichtig. Ohne Elissa war sein Leben sowieso nichts mehr wert.
„O nein!“ Plötzlich begriff Elissa, was in ihm vorging. „Sag, dass das nicht wahr ist.“ Sie ging zu dem halb gepackten Koffer und zog ein schwarzes Kleid daraus hervor, das sie vor Coles Augen zerknüllte, um es ihm anschließend aufgebracht vor die Füße zu werfen. „Weißt du, was das ist, Cole? Das ist mein einziges schwarzes Kleid. Ich wollte dich nicht verlassen, ich habe für New York gepackt. Ich dachte …“
Elissas Stimme versagte. Tränen traten ihr in die Augen.
Cole brauchte einige Zeit, um den Sinn ihrer Worte zu begreifen. Sie wollte ihn nicht verlassen? Sie wollte mit ihm nach New York? „Elissa?“
„Ach, lass mich doch in Ruhe. Ich habe es endlich begriffen. Du wirst mir niemals vertrauen. Ich war verrückt, es überhaupt noch einmal zu versuchen. Du wartest nur darauf, dass ich gehe. Also sollst du deinen Willen haben. Wenn du kein Interesse an einer zweiten Chance hast, bitte.“
Ohnmächtig sah Cole zu, wie sie sämtliche Schränke und Schubladen ausräumte und deren Inhalt im Koffer verstaute. Cole konnte nicht glauben, was er da sah. Elissa würde ihn verlassen, und er stand dabei, unfähig, auch nur ein Wort zu sagen. Er wusste, dass es jetzt an ihm war, sie zurückzuhalten, aber der Schmerz lähmte ihn derart, dass er nur tatenlos zusehen konnte.
„Du hast gewonnen, Cole. Es ist entwürdigend, es zuzugeben, aber diesmal habe ich fest daran geglaubt, dass du mich brauchst“, sagte sie mit tränenerstickter Stimme.
„Das tue ich doch auch“, brachte er mühsam hervor.
„Wozu denn?“, fragte sie. „Übrigens, die Sportgeräte für die Kinder und den Aufenthalt im Camp, das habe ich bezahlt. Ich habe dir nichts davon erzählt, weil ich Angst hatte, noch mehr in deiner Achtung zu sinken.“ Elissa lachte ein unfrohes Lachen. „Aber das war ja sowieso kaum möglich. Ich hoffte, dass du vielleicht irgendwann einmal herausfinden würdest, dass die anonymen Spenden von mir sind, und ich dann in deiner Achtung steige. Ein verrückter Gedanke.“
„Nein“, flüsterte Cole. „Es war keineswegs verrückt. Ich habe tatsächlich vor ein paar Wochen erfahren, dass die Spenden von dir kamen. Ich habe es durch einen Zufall herausbekommen.“
„Du weißt es?“ Elissa war überrascht. „Und du warst nicht ärgerlich?“
„Nein. Ich fand es nett von dir.“
„Na ja, jetzt hast du ja so viel Geld, dass du nicht mehr auf die Spenden anderer angewiesen bist. Der Anwalt sagte mir, dass du der Alleinerbe bist. Herzlichen Glückwunsch. Du kannst das Waisenhaus instandsetzen
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