JULIA FESTIVAL Band 95
Jugendrichter Tiffany ins Waisenhaus geschickt.“
„Eine traurige Geschichte“, sagte Elissa. Sie dachte an ihre eigene Kindheit. Sie war zwar nicht besonders glücklich gewesen, aber immerhin hatte sie ein Zuhause und Eltern gehabt.
„Für Tiffany ist es sehr wichtig, dass sie noch eine Mutter hat“, fuhr Cole fort. „Sie fühlt sich nicht als Waise.“
Elissa wusste, dass Cole keine Eltern gehabt hatte. Und sein größter Wunsch, adoptiert zu werden, war nie in Erfüllung gegangen.
Jeder in seine eigenen Gedanken vertieft, gingen sie weiter. „Woher wusstest du, dass ich hier bin?“, fragte Cole endlich.
„Meine Schwestern und ich bekommen regelmäßig die Informationsblätter vom Waisenhaus. Da war ein Artikel über dich drin, als du Direktor wurdest.“
Cole brummte irgendetwas Unverständliches vor sich hin. Was mochte er jetzt wohl denken? Er wusste schließlich genau, dass nur diejenigen Leute die Blätter bekamen, die gelegentlich für das Waisenhaus spendeten. Was glaubte er wohl, warum sie spendete? Sie beschloss, ihn ein wenig auszufragen.
„Und woher wusstest du, dass ich in Los Angeles war?“, fragte sie deshalb.
„Schließlich bist du meine Frau. Da muss ich doch wissen, wo du steckst.“
„Aber Kontakt aufnehmen musst du nicht?“
Cole überhörte ihre Frage. „Ich weiß nicht, warum du hier bist, Elissa – und ich will es auch nicht wissen. Für mich bist du hier nichts als eine Angestellte. Und ich erwarte von dir, dass du Millies Anweisungen befolgst. Du bist wegen der Kinder hier, und ich rate dir gut, keinen Ärger zu machen. Dein Privatleben hat im Interesse der Kinder zurückzustehen.“
„Privatleben? Ja glaubst du denn tatsächlich, dass ich mich hier vergraben würde, wenn ich so etwas wie ein Privatleben hätte? Darüber kannst du ganz beruhigt sein.“
Sein drohender Blick sagte ihr, dass er ihr kein Wort glaubte.
„Was wirfst du mir eigentlich vor?“, fragte sie. „Glaubst du, dass ich ein Verhältnis mit einem anderen Mann habe?“ Wenn es doch nur so wäre. Wenn es ihr doch nur gelungen wäre, Cole zu vergessen und sich mit einem anderen einzulassen. Sie hatte es nicht fertiggebracht. Trotz der beinahe fünfjährigen Trennung fühlte sie sich immer noch als seine Frau.
„Was auch immer zwischen uns gewesen sein mag“, erklärte sie ruhig. „Ich bin immer noch deine Frau. Ich habe dich nicht ein einziges Mal betrogen.“
„Erzähl mir doch keine Märchen.“ Cole öffnete die Tür zum Speisesaal. Lautes Gelächter drang ihnen entgegen und beendete die Unterhaltung. Elissa ballte die Hände. Mochte Cole doch denken, dass er diese Runde gewonnen hatte. Den endgültigen Sieg würde er nicht davontragen.
„Hallo, hierher!“, rief Tiffany vom anderen Ende des Speisesaals zu ihnen hinüber.
Cole stieß einen hörbaren Seufzer aus. War es ihr doch tatsächlich gelungen, zwei nebeneinanderliegende Plätze frei zu halten und noch dazu direkt neben dem liebevoll angerichteten kalten Buffet.
Während sie den großen Raum durchquerten, sah Elissa sich um. Kinder und Angestellte saßen durcheinander an runden Tischen für acht Personen. Die weit geöffneten Fenster ließen Licht und frische Luft herein.
Cole steuerte auf eine kleine Bühne im vorderen Teil des Saales zu. Elissa war nicht sicher, ob sie ihm folgen sollte oder ob sie schon ihren Platz neben Tiffany einnehmen sollte. „Stell dich so hin, dass die Kinder dich sehen können“, sagte Cole kurz angebunden und nahm ihr somit die Entscheidung ab. „Ich will dich eben vorstellen.“
Das allgemeine Stimmengewirr legte sich, als Cole mit einem freundlichen Lächeln die Bühne betrat. Elissa wünschte, es hätte ihr gegolten. „Guten Abend, alle zusammen“, sagte er gut gelaunt.
„Guten Abend, Cole!“, riefen alle durcheinander, und alle Augen richteten sich auf ihn. Das Waisenhaus beherbergte siebenundfünfzig Kinder verschiedenen Alters, zwei Ehepaare, die ständig im Haus wohnten, und ansonsten außer Cole, Millie und ihr, Elissa, noch elf als Teilzeitkräfte beschäftigte Studenten.
„Ich möchte euch Elissa vorstellen“, fing er an und deutete mit einem Kopfnicken in ihre Richtung. „Sie ist unser neuestes Familienmitglied und wird Millie hauptsächlich bei der Büroarbeit unterstützen. Elissa bleibt allerdings nur drei Monate bei uns.“
Das war einfach zu viel für Elissa. Sie hörte gar nicht weiter zu. Nicht nur, dass er ihr unterstellte, sie habe ihn betrogen. Jetzt besaß er
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