JULIA FESTIVAL Band 97
zur Welt kam.“
Einige Tage später beschloss Milos, nach Sams Gästen zu sehen, denn irgendetwas zog ihn zum Weingut. Er musste sich eingestehen, dass Helen und ihre Tochter ihn faszinierten. Er wollte mehr über sie erfahren, vor allem über Helen.
Sam frühstückte noch, als er auf dem Gut eintraf. Milos nahm an, dass sein Freund bereits in der Weinkellerei gewesen sei, um dort nach dem Rechten zu sehen. Nun saß er im Schatten einiger Zitronenbäume am gedeckten Tisch und ließ es sich gut gehen.
„Milos!“, rief er, als er ihn kommen sah. „Was für eine unverhoffte Freude! Willst du dich zu mir setzen?“
„Aber nur auf einen Kaffee.“ Nachdem Milos ihm die Hand geschüttelt hatte, drängte er ihn, wieder Platz zu nehmen. „Ich war gerade in der Nähe und wollte mich erkundigen, ob deine Tochter und deine Enkelin ihren Urlaub genießen.“
„Oh …“ Ironisch verzog Sam das Gesicht. „Na ja, ich glaube, Helen ist froh über die Abwechslung. Seit dem Tod ihres Mannes hat sie es nicht leicht. Richard … na ja, er hat anscheinend ziemlich über seine Verhältnisse gelebt, wenn du mich fragst. Warum hätte Helen sonst ihr Haus aufgeben und wieder zu ihrer Mutter ziehen müssen?“
Milos war sich nicht sicher, ob er das alles hören wollte. Über den Mann zu sprechen, der all die Jahre mit Helen zusammengelebt hatte, weckte gemischte Gefühle in ihm. Eifersüchtig war er nicht, denn schließlich war Richard tot. Trotzdem wollte er nicht an ihn erinnert werden. Ob Richard dafür verantwortlich war, dass Melissa sich so benahm?
In diesem Moment kam Maya aus dem Haus, und beide Männer standen unwillkürlich auf. Maya war Anfang vierzig und sehr attraktiv. Sie war mittelgroß, hatte einen dunklen Teint und eine sehr weibliche Figur. Normalerweise trug sie weite Röcke, die ihre Rundungen kaschierten, aber die Bluse, die sie an diesem Tag trug, war ziemlich tief ausgeschnitten. Sie war eine entfernte Cousine seiner Mutter und erinnerte Milos ständig daran, dass sie verwandt waren.
„Mir war so, als hätte ich Stimmen gehört“, rief sie auf Griechisch und gab ihm einen feuchten Kuss auf die Wange. „Ich wusste gar nicht, dass du hier bist, Milos“, fuhr sie dann vorwurfsvoll fort. „Sam, hast du ihm nichts zu trinken angeboten?“
„Doch, habe ich, und er möchte Kaffee.“ Sam setzte sich wieder. „Vielleicht solltest du Sofia bitten, welchen zu bringen. Der hier ist nur noch lauwarm.“
Maya presste die Lippen zusammen. „Ruf sie, dann kommt sie, Samuel“, erwiderte sie ungeduldig. „Schließlich hat sie kaum etwas zu tun.“ Sie wandte sich wieder an Milos. „Es ist so schön, dich zu sehen!“ Scherzhaft klopfte sie ihm auf den Arm. „Du kommst so selten vorbei.“
Höflich stritt er es ab, doch allmählich hatte er den Eindruck, dass es ein Fehler gewesen war, hierherzukommen. Sicher würde Maya den Grund dafür nicht gutheißen. Bei Helens und Melissas Ankunft hatte sie keinen Hehl aus ihren Gefühlen gemacht. Und Helen würde sich bestimmt nicht über seinen Besuch freuen. Während der Fahrt vom Hafen hierher war die Atmosphäre im Wagen sehr angespannt gewesen.
„Er wollte Helen besuchen“, sagte Sam nun zu Maya. „Wo ist sie eigentlich? Ich habe sie heute noch nicht gesehen.“
„Weil sie nicht so früh aufsteht wie wir“, erklärte diese, bevor sie sich lächelnd wieder an Milos wandte. „Bleibst du zum Essen?“
„Oh, ich glaube nicht …“, begann er, verstummte allerdings, als Helen ums Haus herumkam.
Sofort stand Sam auf. „Da ist sie ja“, rief er auf Englisch, bevor er ihr erfreut entgegenging. „Wir dachten, du wärst noch nicht auf.“
„Ach ja?“
Sie lächelte ihn an und ließ den Blick anschließend zu Milos und Maya gleiten. Dabei presste sie die Lippen zusammen. Offenbar glaubte sie, er würde sie für eine Langschläferin halten.
„Kalimera“, begrüßte er sie höflich und wich einen Schritt von Maya zurück. „Wie geht es dir?“
Helen atmete tief durch. „Gut, danke.“ Sie fasste sich an den Pferdeschwanz und verriet damit, wie nervös sie war, obwohl sie versuchte, es sich nicht anmerken zu lassen.
Ihm entging es allerdings nicht. Und genauso fiel ihm auf, wie jung sie in dem ärmellosen Top und den marinefarbenen Shorts wirkte. Ihre Haut war bereits leicht gebräunt, und obwohl die hektische Röte in ihrem Gesicht wohl eher von ihrer Verfassung als von der Wärme herrührte, stand sie ihr.
„Kala“, sagte er nun.
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