JULIA FESTIVAL Band 97
wohl überflüssig.“ Helen schüttelte den Kopf. „Meine reizende Tochter tut ihr Bestes, um mich nach Strich und Faden zu blamieren. Ich erfahre, dass mein Vater, den ich seit sechzehn Jahren nicht gesehen habe, mich angelogen hat, und seine Frau macht keinen Hehl daraus, dass sie uns hier nicht haben will. Soll ich weiterreden?“
Ihre Tochter zuckte die Schultern. „Sehe ich so aus, als ob es mich interessierte?“
„Du willst also bleiben, obwohl wir hier nicht erwünscht sind?“ Helen streifte ihren Blazer ab und zog ihr Top aus dem Rockbund. „Im Gegensatz zu dir scheue ich Konfrontationen.“
„Bleib locker, Mum.“ Melissa schenkte sich ein Glas Limonade ein, bevor sie fortfuhr: „Ich finde jedenfalls, dass du ziemlich hart zu Milos warst. Wenn er nicht gewesen wäre, würden wir immer noch draußen in der sengenden Hitze stehen. Maya hatte es nicht eilig, uns reinzubitten, oder?“
„Ich brauche Milos Stephanides’ Hilfe nicht“, erklärte Helen angespannt. Auf keinen Fall wollte sie jetzt mit ihrer Tochter über Milos reden. Sie war viel zu nervös.
Helen umfasste die Tasse, die sie sich eingeschenkt hatte, mit beiden Händen und ging wieder zur Balkontür. Das Wiedersehen mit Milos war viel schwerer gewesen, als sie erwartet hatte. Eigentlich hätte er ihr längst gleichgültig sein müssen, aber das war anscheinend nicht der Fall.
„Glaubst du, er und Maya … na ja, tun es?“, fragte Melissa plötzlich hinter ihr, woraufhin Helen sich zu ihr umwandte und sie entsetzt ansah.
„Was meinst du damit?“, rief sie, obwohl sie es ahnte. Maya war hocherfreut gewesen, Milos zu sehen.
Melissa schnitt ein Gesicht. „Das weißt du ganz genau.“
Starr blickte Helen sie an. „Willst du damit etwa andeuten, dass Milos … dass Milos und Maya …?“
„Miteinander schlafen?“, beendete ihre Tochter den Satz für sie. „Ja. Warum nicht? Hast du nicht gesehen, wie sie an ihm gehangen hat? Außerdem ist er nicht verheiratet, das hat er selbst gesagt.“
„Sie aber.“
„Und das heißt?“
„Nein“, erklärte Helen nachdrücklich.
„Hallo? Erzähl mir nicht, dass du glaubst, deine Stiefmutter würde so etwas nie tun.“ Melissa schüttelte den Kopf. „Komm auf den Teppich, Helen. Es wäre nicht das erste Mal, dass sie eine Beziehung zerstört.“
Helen war entsetzt, brachte jedoch nur „Nenn mich nicht Helen“ hervor.
„Wie soll ich dich sonst nennen? Etwa Dummchen?“ Ihre Tochter stöhnte. „Mum, Milos ist ein Frauentyp. Und dass Maya verheiratet ist, bedeutet nicht, dass sie nicht noch was nebenbei laufen haben kann.“
„Melissa!“ Beinah hätte Helen sich an ihrem Kaffee verschluckt. „Ich bin entsetzt!“
Melissa zuckte die Schultern. „Sag nachher nicht, ich hätte dich nicht gewarnt.“
„Sie hat sich nur gefreut, ihn zu sehen, das war alles.“
„Ach ja?“ Ihre Tochter schnaufte verächtlich. „Jedenfalls ist der Typ heiß. Das musst selbst dir aufgefallen sein. Oder hast du vergessen, wie es ist, wenn …?“
„Das reicht jetzt“, fiel Helen ihr ins Wort. Nachdem sie einmal tief durchgeatmet hatte, wechselte sie das Thema. „Ist dein Zimmer schön?“
„Schön?“ Melissa leerte ihr Glas und stellte es dann wieder aufs Tablett. „Du willst mich einfach nicht wie eine Erwachsene behandeln, stimmt’s?“
„Weil du nicht erwachsen bist, Melissa. Du bist dreizehn, nicht dreiundzwanzig.“
„Ich werde bald vierzehn. Hast du das vergessen?“
„Nein, ich weiß genau, wie alt du bist“, erwiderte Helen nachdrücklich. Schließlich fügte sie versöhnlich hinzu: „Du findest also, wir sollten bleiben?“
„Haben Kinder denn was zu sagen?“
„Natürlich.“ Nun seufzte Helen. „Ich dachte, du möchtest deinen Großvater kennenlernen.“
Wieder schnitt ihre Tochter ein Gesicht. „Als könnte ich noch einen alten Kerl in meinem Leben gebrauchen!“
„Und, was sagst du?“
„Na ja, jetzt sind wir hier, oder? Und es ist nicht schlecht. Außerdem können wir Maya damit eins auswischen.“
Helens Mundwinkel zuckten. „Du bist unmöglich!“
„Aber du hast mich trotzdem lieb.“ Melissa wich ihrem spielerischen Schubs aus. Als im nächsten Moment ein Wagen auf der Auffahrt zu hören war, zog sie die Augenbrauen hoch. „He, wer könnte das sein?“
Helens Magen krampfte sich zusammen. Sie zweifelte nicht daran, dass es sich um ihren Vater handelte. Wahrscheinlich hatte Maya ihn über ihr Kommen informiert, und er hatte sich sofort in den
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