JULIA FESTIVAL Band 97
sich aufhält. Aber falls nicht: Dein Bruder ist mit Ashley Daniels, Tess’ Schwester, verschwunden.“
Maria war schockiert. Aber weshalb?, überlegte Tess. Wegen Marcos Verhalten? Oder weil ihr Vater herausgefunden hatte, mit wem er zusammen war?
„Das kann doch gar nicht sein.“ Maria war verunsichert. „Willst du damit sagen, Marco sei an der Frau interessiert, die die Galerie führt? Das ist doch lächerlich. Sie ist viel zu alt für ihn.“
Tess empfand es nicht als Beleidigung, denn Maria hatte recht: Ashley war zu alt für Marco.
„Du wusstest, dass er bei ihr war?“, fragte Raphael unnachgiebig.
Seine Tochter seufzte. „Ich wusste, dass er in die Galerie ging, Dad. Er hat jedoch mehrere Galerien besucht und mir erzählt, er interessiere sich für Kunst. Warum hätte ich vermuten sollen, es stecke mehr dahinter?“
„Vielleicht hat er es dir erzählt“, antwortete ihr Vater hart. „Maria, ich bin doch nicht dumm. Marco vertraut dir alles an. Er hat sich für die Frau interessiert, das hat er dir bestimmt nicht verheimlicht.“
„Du musst mir glauben, Dad“, erwiderte Maria unter Tränen. „Denkst du, ich hätte ihn zu so etwas ermutigt?“
„Nein, das behaupte ich gar nicht“, entgegnete Raphael. „Dazu bist du zu vernünftig. Ich glaube jedoch, dass er dir gegenüber erwähnt hat, er interessiere sich für die Frau. Hat er eine Affäre mit ihr?“
„Das kann ich mir nicht vorstellen“, sagte Maria.
„Was? Dass Marco in eine viel ältere Frau verliebt ist? Oder dass er dir seine wahren Gefühle verheimlicht hat?“
„Dass er so … dumm ist“, rief Maria aus und blickte Tess so vorwurfsvoll an, als wäre sie für alles verantwortlich. „Okay, Dad, ich habe gewusst, dass er diese Frau sehr bewundert. Aber sie ist viel älter als er. Deshalb habe ich angenommen, sie sei vernünftig und würde die Sache nicht ernst nehmen.“
„Gut.“ Raphael lehnte sich frustriert zurück. „Maria, du hast offenbar gewusst, dass Marco eine Affäre hat, und hast es mir verheimlicht.“
Maria versuchte, das Schluchzen zu unterdrücken. „Er hatte keine Affäre, Dad, er war nur verliebt. Es gibt keinen Grund, anzunehmen, er sei mit dieser Frau zusammen.“
Raphael schüttelte den Kopf. „Sie sind vor einigen Tagen zusammen in den Flieger nach Mailand gestiegen, Maria. Bei der Landung in Mailand waren sie jedoch nicht mehr an Bord. Wahrscheinlich sind sie bei der Zwischenlandung in Genua ausgestiegen. Ich hoffe immer noch, du wirst uns verraten, warum. Wenn du irgendetwas weißt, rate ich dir, mich jetzt zu informieren.“
„Aber ich weiß doch nichts.“ Maria brach in Tränen aus. „Ich habe dir alles erzählt, Dad. Über die ganze Situation bin ich genauso unglücklich wie du“, rief sie aus.
„Wirklich?“ Raphael hatte nicht viel Mitleid mit seiner Tochter.
Tess wünschte, sie wäre nicht mitgefahren. Diese Familienangelegenheit ging sie nichts an. Natürlich wollte sie wissen, wo Ashley war. Die Sache war ihr jedoch nicht so wichtig, wie sie offenbar für die Familie Castelli war.
Raphael schien zu kochen vor Wut, und Tess hatte das Gefühl zu ersticken. Deshalb nahm sie ihr Glas in die Hand und stand langsam auf. Dann überquerte sie die Terrasse, blieb an der kleinen Mauer stehen und trank einen Schluck Orangensaft. Sie hatte sich auf den Aufenthalt in Italien gefreut. Doch jetzt war sie gereizt, verwirrt und sich bewusst, dass sie für die Situation in gewisser Weise mitverantwortlich war. Wenn sie nicht bereit gewesen wäre, Ashley zu vertreten, hätte ihre Schwester sich nicht erlauben können, mit Marco zu verschwinden.
Als Tess Schritte hörte, drehte sie sich um und bemerkte den jüngeren Mann, der aus dem Haus kam. Er ging geradewegs auf Maria zu und umarmte sie. „Mein Liebling“, rief er aus und warf Marias Vater einen vorwurfsvollen Blick zu. „Was ist los? Ist es so schlimm?“, fragte er auf Italienisch.
„Es ist nichts, Carlo“, erklärte Raphael ungeduldig und stand auf. „Sie regt sich nur darüber auf, dass ihr Bruder verschwunden ist und sie es vielleicht hätte verhindern können.“
Ah ja, Carlo ist Marias Mann, dachte Tess.
Carlo runzelte die Stirn und sah seine Frau an. „E vero?“
Maria nickte unglücklich.
„Ich möchte dir meine Begleiterin vorstellen, Carlo.“ Raphael wies auf Tess. „Da sie noch nicht perfekt Italienisch spricht, unterhalten wir uns auf Englisch. Tess, das ist Carlo Sholti, mein Schwiegersohn. Carlo, das ist Teresa
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