JULIA FESTIVAL Band 97
war. Sie bekommt leicht einen Sonnenbrand, dachte er und hatte das Gefühl, Tess beschützen zu müssen. Du liebe Zeit, was ist eigentlich mit mir los?, überlegte er und drehte sich um, um das Essen aus dem Wagen zu holen. „Kommen Sie“, forderte er sie dann auf. „Wir setzen uns in den Schatten der Klippen.“ Er wanderte durch das Gras hinunter zum Strand.
„Okay.“ Sie zog die Sandaletten aus und folgte ihm.
Während er das Jackett ausbreitete, erklärte er: „Mir ist klar, dass es nicht unbedingt gut ist für mein Jackett. Aber ich kann es reinigen lassen.“
„Wie Sie meinen.“ Sie setzte sich hin. Dann zog sie die Beine an und legte die Arme um die Knie.
Raphael setzte sich neben sie und bemühte sich, ihre Beine nicht zu ungeniert zu betrachten. Sich vorzustellen, was sich unter ihren Shorts verbarg, war nicht nur unverzeihlich, sondern auch dumm. Um sich von den verräterischen Gedanken abzulenken, öffnete er rasch die verschiedenen Tüten und Kartons.
„Was möchten Sie essen?“, fragte er. „Einen Salat? Oder eine Pizza?“
„Ein Salat wäre fein.“
„Sonst nichts?“
„Ach, ich nehme noch ein Stück von der Pizza“, antwortete sie unbehaglich und nahm die Plastikdose mit dem Salat entgegen, die er ihr reichte. „Danke. Das sieht gut aus.“
„Hoffentlich schmeckt es Ihnen.“ Betont enthusiastisch biss er in die Pizza. „O ja, das ist köstlich.“
„Davon sind Sie bestimmt nicht überzeugt.“ Tess aß etwas Salat. „Aber es war sehr nett von Ihnen. Ich weiß es wirklich zu schätzen.“
„Ich habe es nicht getan, um nett zu sein. Ich sollte mich dafür bedanken, dass Sie mich nach Viali begleitet haben.“
Tess zögerte kurz. „Warum das denn?“, fragte sie dann. „Es wäre für alle einfacher gewesen, wenn ich nicht dabei gewesen wäre.“
„Das Thema haben wir schon erschöpfend behandelt“, entgegnete er ungeduldig. „Können wir die Gründe vergessen, weshalb wir zu meiner Tochter gefahren sind, und uns auf die Gegenwart konzentrieren? Oder gefällt es Ihnen hier nicht? Geht es nur darum?“
Sie sah ihn sekundenlang an und seufzte. „Um was?“
„Das wissen Sie doch“, antwortete er. „Sie sind nervös und unruhig. Was habe ich Ihnen getan? Oder habe ich etwas gesagt, worüber Sie sich aufregen?“
„Nein. Und Sie haben mir auch nichts getan.“
Die Antwort kam viel zu rasch. Raphael warf das Stück Pizza weg und sprang auf. „Würden Sie den Salat bitte im Auto essen? Dann können wir sogleich weiterfahren.“
„Nein.“ Sie blickte ihn irritiert an. „Ich wollte Sie nicht ärgern. Aber ich habe das Gefühl, Sie wären jetzt lieber ganz woanders als hier mit mir.“
„Und wenn das nicht stimmt?“
„Behaupten Sie das nicht nur aus Höflichkeit?“ Sie befeuchtete sich die Lippen.
Wenn sie wüsste, wie verführerisch diese kleine Geste ist, dachte er und setzte sich wieder neben sie. Dann umfasste er ihr Gesicht und zwang sie, ihn anzusehen. „Nein. Glauben Sie mir, meine Liebe, es gibt keinen Platz, wo ich momentan lieber sein möchte.“ Sekundenlang wirkten seine Augen ganz dunkel, während er ihre Lippen betrachtete. Was ich hier mache, ist sehr gefährlich, mahnte er sich und zog unvermittelt die Hand zurück, ehe er wieder aufstand. „Okay, ich wünsche Ihnen noch einen guten Appetit. Ich bleibe nicht lange weg.“
Sie sah ihn mit großen Augen an. „Wohin gehen Sie?“
Raphael war frustriert und unterdrückte ein Stöhnen. Er musste unbedingt Abstand gewinnen, sonst würde er etwas tun, was er später bereute. Er wollte nicht nur ihre Wange streicheln oder sich mit ihr unterhalten, sondern seine Lippen leidenschaftlich auf ihre pressen.
„Spazieren“, antwortete er. „Ich muss mir die Beine vertreten.“ Und ich muss meine Gefühle in den Griff bekommen, fügte er insgeheim hinzu.
Tess betrachtete seine angespannte Miene und ließ dann den Blick sehnsüchtig über das Wasser gleiten. „Okay.“
Er kam sich schäbig vor, weil er sich so unmöglich benahm. Immerhin hatte er sie hierhergebracht. Es war nicht ihre Schuld, dass er sein Verlangen nicht beherrschen konnte.
„Kommen Sie doch mit, wenn Sie möchten“, forderte er sie auf, ohne nachzudenken.
„Haben Sie wirklich nichts dagegen?“ Tess ließ das Essen stehen und sprang auf.
Raphael lächelte und nickte. Die Entscheidung war gefallen, jetzt konnte er es nicht mehr ändern. Aber er hatte Tess auch gar nicht allein lassen wollen.
Sie lief mit den Füßen durch
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