JULIA FESTIVAL Band 97
schweifen ließ, merkte Christian, wie stark er auf einmal auf sie reagierte. Bis heute war ihm nie aufgefallen, wie groß Olivia war und was für volle Brüste sie hatte. Sogar ihre nackten Füße faszinierten ihn.
Um Himmels willen, war er denn völlig von Sinnen? Vor ein paar Stunden war Tony gestorben, und dies war ganz entschieden nicht der richtige Zeitpunkt, um derartige Gedanken zu hegen. Trotzdem unterschied Olivia sich unglaublich von seinen bisherigen Freundinnen, die Tony immer als Bohnenstangen bezeichnet hatte. Denn Olivia war eine richtige Frau – weiblich und unglaublich sexy.
Entsetzt rief Christian sich zur Ordnung. Allerdings wurde ihm in diesem Moment klar, dass er Olivia immer bewundert hatte, auch wenn sie sich ihm gegenüber sehr feindselig verhalten hatte. Sicher war es verletzend, mit einem Mann verheiratet zu sein, der einen praktisch ignorierte. Und trotz allem war sie Tony gegenüber immer loyal gewesen, mehr als er es verdiente, außerdem war sie eine fantastische Mutter für Luis.
All diese Gedanken gingen ihm durch den Kopf, während er sich zum ersten Mal in seinem Leben völlig nutzlos fühlte. Immer war er stolz auf seine Besonnenheit gewesen, immer hatte er gedacht, mit jeder Situation fertig zu werden, aber nun empfand er nur Hilflosigkeit.
„Wie … wie ist es passiert?“
Da war sie: die Frage, die er befürchtet hatte. Energisch riss sie ihn aus seinen Grübeleien, und er suchte angestrengt nach einer Antwort. Natürlich wollte Olivia wissen, wie Tony gestorben war, und er würde weder ihr noch sich selbst helfen, wenn er sich vor den Antworten drückte. Falls er es nicht tat, würde die Polizei ihr die Wahrheit sagen, und vermutlich ohne Rücksicht auf ihre Gefühle.
„Er … Die Polizei vermutet, dass er einen Herzinfarkt hatte“, erwiderte Christian. „Wahrscheinlich hat er es kaum mitbekommen, falls dich das tröstet.“
„Die Polizei?“ Verwirrt schüttelte Olivia den Kopf. „Dann war es also kein Unfall?“
„Nein.“ Liebend gern hätte er es ihr leichter gemacht. „Tony war … in seinem Apartment.“
Unmöglich, den Ausdruck zu deuten, der sich über ihr Gesicht legte. „Er war nicht allein, stimmt’s?“, fragte sie leise. „Eine Frau war bei ihm. Ich schätze, du meinst das Apartment in Coconut Grove. Normalerweise geht er mit seinen Freundinnen dahin, aber das weißt du ja sicher.“
Fassungslos sah Christian sie an. Auch wenn er angenommen hatte, dass sie über Tonys Untreue im Bilde war, schockierte ihn, dass sie von der Wohnung in Coconut Grove wusste. Hatte Tony ihr etwa davon erzählt? So unsensibel konnte er unmöglich gewesen sein! Er war zwar immer egoistisch, aber nie grausam gewesen.
Da ihm klar war, dass es wenig Sinn hatte, sie zu belügen, nickte Christian und fragte: „Wie kommst du darauf?“
Bevor sie antwortete, atmete Olivia einmal tief durch. „Weil du anscheinend das Bedürfnis hast, dich für ihn einzusetzen“, erwiderte sie. „Als Tonys … Vertreter willst du wahrscheinlich vermeiden, dass ich eine Szene mache und womöglich die Aktionäre in Verlegenheit bringe.“
„Glaubst du wirklich, das wäre das Wichtigste für mich?“, erwiderte er entrüstet. „Ich habe Tony geliebt, Olivia. Er … er war wie ein Vater für mich.“
„Ich weiß.“ Resigniert hob sie die Schultern. „Jedenfalls brauchst du keine Angst zu haben. Ich werde niemandem Kummer machen.“
„Ob du es glaubst oder nicht, ich bin nicht wegen der Firma hierhergekommen“, erklärte er schroff. „Ich wollte dir die Nachricht selbst überbringen, damit es nicht ganz so schlimm für dich ist. Allerdings hätte ich mir denken können, dass du meine Beweggründe infrage stellst. Und dass du zu … gefühlskalt bist, um echte Empfindungen zu zeigen.“
Kaum hatte er die Worte ausgesprochen, bereute er sie zutiefst. Zerknirscht beobachtete er, wie Olivia aschfahl wurde und die Finger so fest in ihren Hals krallte, dass dort Abdrücke erschienen. Er hatte ihre Gefühle verletzt. Verdammt, nach allem, was Tony ihr zugemutet hatte, hatte er nicht das Recht, sie auch noch zu kritisieren! Auch wenn sie geradezu unnatürlich ruhig wirkte, stand sie bestimmt genauso unter Schock wie er.
„Du solltest jetzt lieber gehen“, sagte sie mit bebender Stimme und deutete dabei zur Tür. „Joseph bringt dich raus.“
Doch der alte Butler erschien nicht. Entweder war er bereits ins Bett gegangen, oder – was wahrscheinlicher war – er hatte ihre
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