JULIA FESTIVAL Band 97
wirklich keine Ahnung, wo Ashley sein könnte?“ Andreas Stimme klang beunruhigt. „Wenn du etwas weißt, Teresa, darfst du es mir nicht verheimlichen. Soll ich nach Italien kommen? Vielleicht sollte man die Polizei einschalten.“
„Das ist nicht nötig, denn Ashley wird ja nicht vermisst“, versicherte Tess ihr rasch und verfluchte ihre Schwester insgeheim. Was hatte die sich nur dabei gedacht? „Andrea, du brauchst dir wirklich keine Sorgen zu machen. Ashley gönnt sich eine Pause, das ist alles. Wahrscheinlich hat sie das Handy ausgeschaltet, um nicht belästigt und gestört zu werden.“
„Du willst doch hoffentlich nicht andeuten, meine Tochter würde sich durch meine Anrufe belästigt fühlen“, rief Andrea sogleich aus.
„Nein, natürlich nicht“, versicherte Tess ihr. Sie nahm sich vor herauszufinden, was Ashley ihrer Mutter über sie erzählt hatte.
„Na ja …“ Andrea hörte sich resigniert an. „Dann muss ich dir wohl glauben. Aber vergiss nicht, mich zu informieren, wenn es etwas Neues gibt. Falls Ashley dich anruft, richte ihr bitte aus, sie soll sich sogleich bei mir melden.“
„Mache ich.“ Tess legte erleichtert den Hörer auf. Sie hatte das Gefühl, ihre Schwester hatte sie benutzt, und wünschte, sie hätte nicht eingewilligt, sie zu vertreten.
Plötzlich stieg Castellis Bild vor ihr auf. Sie verdrängte es jedoch sogleich wieder. Sie wollte nicht über das Gespräch mit ihm nachdenken, um sich die Laune nicht zu verderben.
Ashley hatte ihr den Aufenthalt in Italien in den glänzendsten Farben geschildert. Sicher, sie hatte Tess gebeten, sie in der Galerie zu vertreten. Aber sie hatte auch davon geredet, sie könnte die Tage am Strand in der Sonne und die Abende in gemütlichen Restaurants und Bars verbringen. Tess machte sich nichts aus Barbesuchen, doch es war ein verlockender Gedanke gewesen, in italienischen Restaurants zu essen. Außerdem hatte sie sich sehr auf den Strand im Sonnenschein gefreut.
Jetzt war ihr die Freude verdorben. Die beiden ersten Abende hatte sie damit verbracht, Ashleys Apartment zu säubern und die Buchführung zu erledigen, die ihre Schwester vernachlässigt hatte. Und jetzt musste sie sich damit auseinandersetzen, dass Ashley verschwunden war. Sie hatte zweifellos ganz genau gewusst, wie Tess reagiert hätte, wenn sie ihr die Wahrheit gesagt hätte. Mit voller Absicht war Ashley bei der Ankunft ihrer Schwester schon weg gewesen.
Tess war frustriert und enttäuscht. Sie hätte sich denken können, dass mehr dahinter steckte, als Ashley ihr erzählt hatte. Es ist meine eigene Schuld, dass ich Andrea vor meiner Abreise nicht angerufen und gefragt habe, wie es ihr geht, überlegte Tess. Jetzt konnte sie nichts anderes tun, als abzuwarten, ob Ashley anrief.
Eigentlich hatte sie vorgehabt, am Abend in einer Pizzeria zu essen. Doch sie überlegte es sich anders. Nachdem sie den ganzen Tag nervös zusammengezuckt war, wenn jemand in die Galerie gekommen war, hatte sie keine Lust mehr, unter Menschen zu sein. Sie würde sich selbst etwas zubereiten.
Als sie gerade abschließen wollte, kam ein Mann herein. Tess bekam Herzklopfen und errötete. War das etwa Castelli? Nein, sie hatte sich geirrt hatte. Es war Silvio Palmieri, der nette junge Mann von dem Sportgeschäft nebenan. Wie dumm von mir, ihn mit Castelli zu verwechseln, dachte sie ärgerlich. Die einzige Ähnlichkeit zwischen den beiden Männern war das dunkle Haar.
„Hallo“, begrüßte er sie. „Habe ich Sie erschreckt?“, fügte er hinzu, als ihm ihre seltsame Miene auffiel.
„Nein. Ich war mit meinen Gedanken ganz woanders“, erwiderte sie. „Sie haben mich überrascht, das ist alles.“
Er runzelte die Stirn. „Gibt es schlechte Nachrichten?“, fragte er. „Geht es Ashleys Mutter schlechter?“
„Nicht, dass ich wüsste.“ Ihre Stimme klang spöttisch. „Hatten Sie einen guten Tag?“
Silvio zuckte die Schultern. „Na ja, es ging. Und Sie?“
Tess war nahe daran, hysterisch zu lachen. Aber sie nahm sich zusammen. Castelli wäre es bestimmt nicht recht, wenn sie mit Silvio über ihre Probleme redete, und Ashley hätte sicher auch etwas dagegen.
„Es war ein … aufschlussreicher Tag“, antwortete sie deshalb nur. „Ich bin nicht traurig, dass er vorbei ist.“
„Ich habe gesehen, dass Raphael di Castelli heute Morgen in der Galerie war.“ Silvio zog fragend die Augenbrauen hoch. „Er ist eine bekannte Persönlichkeit. Während der Ernte arbeiten viele Leute aus San
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