JULIA FESTIVAL Band 98
Marty im letzten Jahr im College kennengelernt. Ich war ein paar Mal mit Jungen ausgegangen, hatte mich aber nie verliebt, nicht so wie in Marty. Mit ihm war alles so aufregend. Er war ein paar Jahre älter. Charmant, geistreich. Er hatte so oft die Studienfächer gewechselt, dass er nach fünf Jahren noch im ersten Semester war. Es hat mich beeindruckt, dass er so voller Lebensfreude und Interesse an mir war.“
Sie seufzte. „Ich habe dir ja schon erzählt, dass für meine Eltern die Kunst das Wichtigste im Leben war. Ich bin in dem Wissen aufgewachsen, dass keine aufgeschlagenen Knie und kein Kümmernis mit dem perfekten Licht oder dem richtigen Blickwinkel konkurrieren konnten. Wenn sie malten, existierte ich nicht für sie.“
„Und Marty war anders?“
„Das dachte ich. Er war so auf mich fokussiert, dass ich nicht gemerkt habe, dass ich für ihn nur die neueste in einer langen Reihe von flüchtigen Passionen war. Nach zwei Monaten habe ich ihn geheiratet, und sechs Wochen später wurde mir klar, dass er genau wie meine Eltern war.“
Nash beugte sich zu ihr vor. „In welcher Hinsicht?“
„Er war verantwortungslos. Er war nicht bereit, an jemand anderen als sich selbst zu denken. Es war ihm egal, ob die Rechnungen rechtzeitig bezahlt wurden oder man uns den Strom abdrehte. Er kam unpünktlich zur Arbeit, weil er spaßigere Dinge zu tun hatte. Einen Psychologen hätte es vermutlich nicht überrascht, dass ich mir jemanden wie meine Eltern ausgesucht hatte, aber für mich war es ein Schock.“
Er hätte gern ihre Hand genommen, aber er sah davon ab. „Warum hast du ihn nicht verlassen?“
„Ich wollte es. Aber bevor ich meine Sachen packen konnte, stellte sich heraus, dass ich schwanger war.“
Sie schob ihre Tasse auf dem Tisch umher. „Marty war begeistert. Er schwor, dass alles anders werden würde, und ich wollte ihm glauben. Ich hielt es für falsch, ihm sein Kind wegzunehmen. Also blieb ich. Er wechselte die Arbeitsstellen, die Städte, die Staaten, und wir zogen mit ihm. Jedes Mal, wenn ich ein paar Dollar gespart hatte, gab er sie für verrückte Dinge wie ein altes Motorrad oder eine Segeltour aus. Nach ein paar Jahren stellte ich ihm ein Ultimatum. Ich drohte, ihn zu verlassen, sofern er sich nicht fest niederließ, bevor Brad schulpflichtig wurde.“
Sie lehnte sich zurück und zuckte die Achseln: „Brad war damals drei. Somit blieben Marty drei Jahre. In der Zwischenzeit belegte ich überall Abendkurse, hauptsächlich in Wirtschaftslehre. Ich wollte darauf vorbereit sein, Brad und mich im schlimmsten Fall ernähren zu können.“
„Dann kamen die Zwillinge.“
„Wieder eine unerwünschte Schwangerschaft“, bestätigte sie. „Wir hatten kein Geld. In der Woche, als ich mit den Zwillingen aus dem Krankenhaus nach Hause kam, wurde uns der Strom abgestellt. Marty fuhr fort, unpünktlich zur Arbeit zu gehen oder den Job hinzuschmeißen. Etwa ein Jahr später schnappte ich die Kinder und verließ ihn. Ich wusste, dass es hart werden würde, aber drei Kinder zu versorgen ist immer noch leichter als vier.“
„Und wie ging es weiter?“, hakte Nash nach, als sie verstummte.
„Er flehte mich an, zu ihm zurückzukommen. Brad betete ihn an. Ich liebte ihn nicht mehr, aber ich fühlte mich schuldig und gab nach. Dann bekam er die Erbschaft, und ich verlangte von ihm, davon ein Haus zu kaufen. Aber er konnte kein gewöhnliches Haus kaufen. Es musste dieser monströse Kasten sein. Ich willigte ein, weil ich es immer noch besser fand, als das ganze Geld für eine Weltreise zu verpulvern. Kurz darauf starb er.“
Nash wusste nicht, was er dazu sagen sollte. „Du hast dich tapfer gehalten.“
„Ich habe mich bemüht, an die Jungs zu denken. Sie sollen glücklich sein und sich sicher fühlen. Sie sollen wissen, dass sie mir wichtig sind. Aber um all das geht es eigentlich nicht.“
Sie straffte die Schultern. „Ich bin dreiunddreißig. Ich bin für andere verantwortlich, seit ich alt genug war, telefonisch Lebensmittel zu bestellen. Mit zehn habe ich schon die Rechnungen bezahlt und das Haushaltsgeld verwaltet. Meine Eltern sind nach Frankreich gereist, als ich zwölf war. Sie waren ein halbes Jahr weg. Ich hatte Angst, so lange allein zu sein, aber ich habe es überstanden. Ich war die einzige Erwachsene in meiner Ehe mit Marty, und ich bin es jetzt wieder. Ich will keine weitere Verantwortung. Ich habe gehört, dass Männer auch Partner in einer Beziehung sein können, aber bisher
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