JULIA FESTIVAL Band 98
sich entscheiden konnte, verließ er das Pförtnerhaus.
Sie blickte zur Uhr und sagte sich, dass er in zehn Minuten nicht viel Schaden anrichten konnte. Oder doch?
Nash betrat das Haupthaus, blieb stehen und lauschte, bis er Geräusche aus der Küche hörte.
Als er eintrat, räumte Brad lautstark den Geschirrspüler aus, mit hängenden Schultern und kummervollem Blick. „He, wie läuft’s?“, fragte er.
Brad blickte ihn feindselig an. „Du gehörst nicht in die Küche!“, rief er aufgebracht. „Du bist ein Gast. Die Küche ist nur für die Familie. Geh weg.“
Nash schloss die Tür hinter sich und trat zu ihm.
„Hast du mich nicht gehört?“
„Ich habe alles gehört. Sogar das, was du nicht gesagt hast.“
Nash kannte die Hilflosigkeit, die Verzweiflung und den Zorn des Jungen. Er wusste, dass Brad stark genug sein wollte, um den unliebsamen Gast aus der Küche, dem Haus, dem Leben seiner Mutter werfen zu können.
Die alten Gefühle waren zwar begraben, fast vergessen, aber doch noch vorhanden, wie Nash überrascht feststellte. Er setzte sich an den Tisch und fragte sich, wie oft er Howard verwünscht hatte. Es war schlimm genug gewesen, als Howard und seine Mutter nur miteinander gegangen waren. Fast unerträglich war es geworden, als die zwei sich verlobt hatten und Howard beschlossen hatte, Kevin und Nash zu adoptieren, so als wären sie noch Babys.
„Deine Mom ist echt nett“, eröffnete Nash. „Hübsch und lustig.“ Er lächelte vage. „Dir kommt sie vielleicht alt vor, aber mir nicht. Ich mag sie sehr.“
Angst blitzte in Brads Augen auf.
Nash beugte sich vor und stützte die Ellbogen auf die Knie. „Aber die Sache ist die, dass ich nur auf der Durchreise bin. Ich bleibe nicht hier. In ein paar Wochen gehe ich zurück nach Chicago. Da wohne und arbeite ich. Dort spielt sich mein Leben ab.“
Sein Leben? Zum ersten Mal seit Tinas Tod erkannte er, dass er nicht wirklich lebte. Er hatte einen Job, aber kaum Bekannte außerhalb der Arbeit. Er lebte allein und war es leid.
Er verdrängte diesen Gedankengang. Momentan war Brad wichtiger. „Ich verstehe, was du durchmachst“, erklärte er.
„Ach ja?“
„Okay, Erwachsene sagen das ständig. Es ist langweilig und nervt, aber in diesem Fall stimmt es wirklich. Dein Dad ist gestorben. Mein Dad ist verschwunden, sobald er meine Mom geschwängert hatte. Wir waren nur zu dritt, Mom und Kevin und ich. Sie war echt jung und hatte kein Geld, und deshalb war es schwer für sie. Sie hat viel gearbeitet und sich große Sorgen gemacht. Das habe ich gehasst, und deshalb habe ich geholfen, so gut ich konnte. So ähnlich wie du mit den Zwillingen.“
Mit gesenktem Kopf malte Brad Muster auf die Arbeitsplatte, doch er schien zuzuhören.
„Die Zwillinge sind noch zu klein, aber du verstehst, wie schwer es für sie ist“, fuhr Nash fort. „Du machst dir Sorgen. Und das Letzte, was du dir wünschst, ist irgendein Typ, der deine Familie durcheinanderbringt.“
Überrascht blickte Brad ihn an.
„So war es bei uns. Meine Mom ist mit diesem Typen gegangen – Howard. Er war ganz okay, aber ich habe ihm nie richtig getraut. Er hat nicht zu uns gehört.“
„Und was ist passiert?“, wollte Brad wissen.
„Sie haben geheiratet. Ich wollte es nicht, aber sie haben es trotzdem getan. Bei mir liegt die Sache anders. Ich mag deine Mom und möchte sie sehen, solange ich hier bin. Aber das ist nur vorübergehend, denn ich gehe wirklich weg. Ich will nicht heiraten oder deinen Dad ersetzen. Das wollte ich dir nur sagen, so von Mann zu Mann.“
Brad dachte über diese Mitteilung nach. „Okay, ich begreife“, murmelte er schließlich. Er wirkte immer noch besorgt, aber nicht mehr so ängstlich. „Ich kann mir denken, dass meine Mom wen zum Reden braucht und so. Aber du solltest sie nicht küssen, wo jeder es sehen kann. Meine Brüder würden das nicht verstehen. Die könnten glauben, dass du bleiben willst.“
„Guter Gesichtspunkt. Ich werde daran denken.“ Nash stand auf. „Noch was, Brad. Selbst wenn deine Mom jemanden findet, in den sie sich verliebt und den sie heiraten will, bedeutet es nicht, dass er den Platz von deinem Dad einnehmen will. Das kann niemand. Vielleicht würdest du ihn sogar mögen, und das wäre auch okay. Aber dein Dad bleibt immer dein Dad.“
Brad blickte zweifelnd drein, widersprach aber nicht.
Nash reichte ihm die Hand. „Freunde?“
Reglos starrte Brad die Hand an. Schließlich nahm er sie und murmelte: „Okay, wir
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