JULIA FESTIVAL Band 98
verstorbene Frau nachgedacht, aber damit hatte sie nicht gerechnet. „Sie war FBI-Agentin?“, hakte sie verblüfft nach.
Er nickte. „Wir haben uns während der Ausbildung kennengelernt. Ich war einer ihrer Ausbilder. Ich hielt sie für zu emotional und wollte sie durchrasseln lassen. Aber ich wurde überstimmt.“
Sie wandte sich wieder der Wand zu und strich weiter. „Kein besonders romantischer Anfang“, murmelte sie.
„Stimmt. Ich hielt sie für eine Spinnerin, und sie hielt mich für einen hartherzigen Pedanten. Sie wurde versetzt, und ich vergaß sie. Etwa ein Jahr später begegneten wir uns wieder bei einem Einsatz.“
Bei einer gefährlichen Unternehmung, dachte sie nachdenklich. Auf Verbrecherjagd oder bei der Lebensrettung Unschuldiger. Das erzeugte Adrenalin, gefolgt von Leidenschaft.
Ihr gefiel nicht, dass sich ihr Magen verkrampfte und sie sich wie eine gewöhnliche, langweilige allein erziehende Mutter fühlte. „Da ihr geheiratet habt, muss sich eure ursprüngliche Meinung voneinander geändert haben.“
„Wir waren immer Gegensätze.“
„Manchmal klappt das gut.“
„Bei dir und Marty hat es nicht funktioniert.“
„Ich glaube, dass wir weniger gegensätzlich waren als unterschiedliche Dinge anstrebten. Mir gefiel es nicht, immer die Vernünftige zu sein, aber Marty ließ mir keine andere Wahl. Jemand musste die Rechnungen rechtzeitig bezahlen und Lebensmittel einkaufen. Aber manchmal habe ich ihn um die Fähigkeit beneidet, sich nicht um Dinge wie Geld und Konsequenzen zu scheren.“
„Du hast sehr jung Verantwortung übernehmen müssen. Kids, die zu früh erwachsen werden mussten, vergessen das nie. Mir ging es genauso. Meine Mom arbeitete sehr viel, und mein Bruder war total unnütz. Obwohl wir Zwillinge sind, habe ich mich immer wie der Ältere gefühlt.“
„Aber Kevin hat sich gebessert. Immerhin hat er es zum US Marshal gebracht.“
Nash drehte sich zu ihr um. „Wie sind wir eigentlich auf so ein ernstes Thema gekommen? Leute, die eine Affäre haben, sollten eigentlich nicht über wichtige Sachen reden.“
Sie lächelte. „Davon weiß ich nichts. Es ist meine erste Affäre. Also musst du mich über die Regeln aufklären.“
Er legte den Pinsel auf die Lackdose und ging zu ihr. „Die Regeln bestimmen wir selbst.“
„Wirklich?“ Ihr Herz schlug schneller, als sie das Funkeln in seinen Augen sah. Sie legte die Rolle nieder und beugte sich zu ihm hinab.
Der Kuss war stürmisch und atemberaubend. Verlangen erwachte in ihr. Sie schlang die Arme um seinen Nacken und ließ sich von der Leiter heben.
„Es ist gerade mal drei Stunden her, und ich will dich schon wieder“, murmelte er an ihren Lippen. „So werden wir nicht viel zum Arbeiten kommen.“
„Das macht mir nichts.“
„Gut, denn ich …“
Ein Geräusch erregte ihre Aufmerksamkeit. Beide drehten sich um. Stephanie zuckte zusammen, als sie Brad in der Tür stehen sah. Seine Miene verriet, dass er sie in Nashs Armen gesehen hatte und sich verraten fühlte. Bevor sie etwas sagen konnte, rannte er davon zum Haupthaus.
Das Verlangen verebbte abrupt, ließ Schuldgefühl zurück. Einerseits war sie froh, dass Brad sich an seinen Vater erinnerte. Andererseits war es nicht richtig, jeden anderen Mann aus ihrem Leben zu verbannen, nur weil ihr zwölfjähriger Sohn es so wollte. Brad musste lernen, dass das Leben weiterging. Aber war es der richtige Zeitpunkt für diese Lektion? Und wenn ja, was sollte sie ihm sagen? Erschwerend kam hinzu, dass sie mit Nash eine Beziehung unterhielt, die sie ihren Kindern nicht erklären konnte.
Mir kann niemand helfen, dachte sie traurig. Mit niemandem konnte sie ihre Sorge teilen. Wie in den meisten schwierigen Situationen musste sie allein zurechtkommen.
Sie ging einen Schritt auf das Haupthaus zu, blieb dann stehen, als Nash sie am Arm berührte und sagte: „Brad ist aufgebracht.“
„Ich weiß.“
„Vielleicht sollte lieber ein Mann mit ihm reden.“
Verblüfft starrte Stephanie ihn an. „Du willst mit ihm reden?“
„ Wollen ist zu viel gesagt, aber ich kann nachempfinden, was er fühlt. Ich werde ihm nicht sagen, was zwischen uns läuft, aber ich kann ihn beruhigen.“
„Eigentlich sollte ich selbst mit ihm reden. Schließlich ist er mein Sohn und nicht deiner.“
Nash küsste sie sanft. „Streich du weiter. Gib mir zehn Minuten. Wenn ich dann nicht zurück bin, komm nach.“
Die Verantwortung abzugeben war ihr fremd. Sie kämpfte mit sich. Bevor sie
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