JULIA FESTIVAL Band 98
sie einladen würde. Welche Ironie des Schicksals! Sie hatte es geschafft, acht Jahre im Dschungel von New York zu überleben, hatte die unterschiedlichsten Erfahrungen gemacht, sogar eine Karriere als gut bezahltes Model hinter sich. Doch all das schien nichts geändert zu haben. Die Situation wäre ziemlich komisch, würde ein anderer und nicht sie selbst darin stecken.
Das Telefon klingelte, und sie schlug erschrocken die Kühlschranktür zu. Ihr Herz machte einen Satz. Es gab in ihrer Welt nur noch zwei Fragen, die wichtig waren. War es Gage, oder war er es nicht.
„Hallo?“, meldete sie sich atemlos, nachdem sie den Hörer abgenommen hatte.
„Hallo, Kari“, hörte sie Gage sagen. „Wie geht es dir?“
In den vergangenen Tagen hatte sie immer und immer wieder geübt, was sie auf diese Frage antworten sollte, und sich witzige und äußerst lässige Bemerkungen ausgedacht. Jetzt fiel ihr natürlich keine davon ein. „Ganz gut. Ich habe weiter am Haus gearbeitet. Ich habe gerade die Pinsel ausgewaschen und für heute Schluss gemacht.“
„Eigentlich wollte ich dir ja beim Renovieren helfen.“
Ich habe auch auf dich gewartet, dachte sie, sagte aber: „Du musst nicht meine Arbeit machen. Und? Wie geht es dir?“
„Eigentlich soweit ganz gut, aber ich versuche immer noch zu verstehen.“
Es entstand ein Schweigen, und sie seufzte innerlich. Vorher war alles so viel einfacher gewesen. Bevor sie sich geliebt hatten. Bevor er die Dinge über seine Vergangenheit erfahren hatte.
Er räusperte sich. „Es gibt einen Grund, warum ich dich anrufe. Im Country Club findet eine große Party statt, und einige besorgte Eltern riefen mich an. Es sieht so aus, als ob ein paar der Jugendlichen im Possum Landing Hotel Zimmer gemietet hätten, einige von den Mädchen sind noch minderjährig. Ich muss der Sache ein Ende machen. Und ich habe gehofft, du würdest mitkommen.“
Sie runzelte die Stirn. „Habe ich das richtig verstanden? Ich soll dir bei der Arbeit helfen?“
„Ja, ich habe keine Lust, halb nackten Mädchen allein gegenüberzustehen.“
Das war nicht gerade die Einladung, auf die sie gewartet hatte, aber es war besser als gar nichts. „Klar helfe ich dir.“
„Großartig. Ich werde in zehn Minuten bei dir sein.“
„In Ordnung. Bis gleich.“
Sie raste nach oben, riss sich die alten Shorts und das T-Shirt vom Leib und schlüpfte in ein luftiges Sommerkleid. Für eine Dusche hatte sie keine Zeit mehr, aber sie putzte sich rasch die Zähne, wusch sich das Gesicht und bürstete ihr Haar. Zum Schluss trug sie noch Wimperntusche sowie etwas Lipgloss auf und zog sich leichte Sandaletten an. Sie hatte gerade ihre Handtasche geholt, als Gage bereits vor der Tür stand.
Sie öffnete die Tür und nahm sich vor, nicht zu lächeln. Doch die Freude, ihn zu sehen, war zu groß, und sie spürte, wie ein strahlendes Lächeln auf ihr Gesicht trat. Ihr Körper verriet sie wieder mal.
Noch schlimmer war die Tatsache, dass Gage so umwerfend gut aussah. Und das, obwohl er Schatten unter den Augen hatte, als ob er in der letzten Zeit nicht genug geschlafen hätte.
„Hallo“, sagte er. „Danke für deine Hilfe.“
„Kein Problem.“
Er schaute sie an und strich ihr sanft über die Wange.
„Ich bin dir aus dem Weg gegangen.“
Sein Geständnis überraschte sie, und impulsiv entschloss sie sich, ebenfalls eines zu machen. „Das habe ich bemerkt.“
„Es war nicht wegen …“ Er hielt einen Moment inne. „Ich musste viel nachdenken und wollte dich auf keinen Fall mit meinen Problemen belästigen.“
„Wir sind Freunde, Gage. Ich höre dir gern zu.“
„Ich werde dich noch beim Wort nehmen. Ich habe zwar viel nachgedacht, bin aber immer noch zu keinem richtigen Ergebnis gekommen.“
„Hast du mit deiner Mutter gesprochen? Ist zwischen euch jetzt wieder alles in Ordnung?“
Er nickte. „Ich bin vor einigen Tagen bei ihr gewesen, allerdings habe ich immer noch nicht den Mut gehabt, mir anzuhören, was sie sonst noch zu sagen hat.“
„Ich habe dich vermisst“, gestand Kari.
„Ich dich auch. Mehr als ich sollte.“
Ihr Herz machte vor Freude einen Satz. O Mann, es hatte sie ordentlich erwischt!
„Können wir jetzt gehen?“
„Klar.“
Als sie zehn Minuten später am Hotel ankamen, wartete bereits eine Gruppe von Eltern auf dem Parkplatz. Gage sprach mit ihnen, holte sich dann einen Hauptschlüssel von der Rezeption und lief mit Kari den langen, dunklen Korridor zum hinteren Teil des Hotels
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