JULIA FESTIVAL EXTRA Band 06
als sie die Tür ihrer Suite verschloss. Der Ring, den Liam ihr angesteckt hatte, funkelte im Licht. Trotz seines Gewichts hatte sie kaum gemerkt, dass sie ihn trug. Es war, als wäre er immer dort gewesen. Zögernd nahm sie ihn ab, und im selben Augenblick fühlte ihre Hand sich bloß an, ja richtig nackt.
Sie brauchte eine ganze Weile, um einzuschlafen, und auch dann schlief sie eher unruhig. Ohne Liam fühlte sich das Bett ungemütlich und leer an.
Liam … Liam … Liam …
Sie setzte sich auf, zog die Knie unters Kinn und schlang die Arme darum. Was ging mit ihr vor? Was war mit ihr vorgegangen? Sie war noch nie gut darin gewesen, Gefühle vorzutäuschen, die sie nicht hatte. Nie. Und doch war es ihr den ganzen Tag über ganz selbstverständlich und natürlich erschienen, so zu tun, als würde sie Liam lieben.
Schlagartig verkrampfte sich ihr Körper, als eine entsetzliche Ahnung in ihr aufstieg. Vielleicht war es ihr so leicht gefallen, die Rolle der Verliebten zu spielen, weil es gar keine Rolle war. Weil sie wirklich in Liam verliebt war.
Aber wie konnte das sein? Wie konnte sie sich in Liam verliebt haben, ohne dass es ihr bewusst gewesen war?
Vielleicht hatte sie es irgendwie, tief in ihrem Unterbewusstsein, doch gewusst. Vielleicht hatte sie deshalb so heftig auf Liam reagiert. Vielleicht hatte sie sich daher dazu hinreißen lassen, ausgerechnet von ihm ein Kind bekommen zu wollen. Die Natur ging manchmal komplizierte und nicht immer nachvollziehbare Wege, um an ihr Ziel zu gelangen.
Aber sie konnte Liam nicht lieben. Er erwiderte ihre Liebe nicht. Das hatte sie schon als junges Mädchen auf bittere Weise erfahren müssen. Zwar waren ihre Gefühle damals die eines Teenagers und nicht die einer reifen Frau gewesen. Dennoch war seine Zurückweisung eine der härtesten Lektionen gewesen, die das Schicksal ihr erteilt hatte. Und nicht einmal Bobbie hatte sie das gestanden.
Was sollte sie jetzt bloß tun? Selbst wenn Liam wie durch ein Wunder ihre Liebe tatsächlich erwiderte, würde sie niemals die Ehefrau sein können, die er brauchte. Doch sogar ihre eigene Familie schien zu glauben, dass sie sich ändern und Kompromisse eingehen würde. Samantha wusste allerdings, dass das undenkbar war, wenn sie sich selbst treu bleiben wollte.
Sie ließ ihr Knie los und legte sich wieder hin. Heiße Tränen liefen ihr über die Wangen. Sie weinte um den Mann, mit dem sie niemals ihr Leben teilen würde. Und um die Kinder, deren Eltern sie niemals werden würden.
10. KAPITEL
„Liebling, ist das nicht aufregend? Die ‚Washington Post‘ hat einen Wahlsieg für Liam vorhergesagt. Sam, was ist denn los?“, fragte ihre Mutter besorgt, als ihre Begeisterung bei Samantha nicht die erwartete Reaktion hervorrief.
„Du machst dir doch nicht etwa immer noch Sorgen, weil du jetzt die Frau des Gouverneurs wirst, oder? Oh, das ist meine Schuld. Wenn ich mich nicht so oft über die Rolle der Gouverneursgattin beschwert hätte …“ Sie machte eine Pause und schüttelte den Kopf. „Aber, Samantha, du bist viel stärker als ich, und auch wenn du es nicht zugibst, du liebst die Art von Herausforderungen, die auf dich und Liam zukommen. Die Leute reden schon davon, dass ihr beiden das fortschrittlichste Paar an der Spitze eines Bundesstaates werdet. Und dein Vater ist schrecklich stolz auf euch beide.“
Sam brachte es nicht fertig, ihrer Mutter ins Gesicht zu sehen. Ihre Eltern freuten sich riesig über die Neuigkeit. Obwohl Sarah Jane wegen des bevorstehenden Umzugs alle Hände voll zu tun hatte, stürzte sie sich mit großem Elan in die Vorbereitungen für Samanthas Hochzeit.
„Wir wollen bis nach der Amtseinführung warten“, hatte Sam protestiert und sich verzweifelt gegen die Panik gewehrt, die sie immer mehr befiel. Doch es schien, als hätte die Nachricht von ihrer Verlobung eine Lawine ins Rollen gebracht, die einfach nicht mehr aufzuhalten war.
Es hatte Versammlungen, Besprechungen, Interviews, Talkshows sowie andere Termine gegeben, und Sam musste widerwillig eingestehen, dass ihr Vater recht gehabt hatte. Er hatte ihr geraten, ihre eigenen beruflichen Pläne bis nach der Wahl zu verschieben.
Zu den unerwarteten Folgen ihrer Verlobung gehörte es, dass Cliff sich plötzlich bei ihr einzuschmeicheln versuchte. Sie fand das widerlich, aber im Moment hatte sie wichtigere Dinge im Kopf.
Der Stress, unter dem sie stand, zeigte langsam Spuren. Sie hatte abgenommen, und ihre Augen funkelten nicht mehr so wie
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