JULIA FESTIVAL EXTRA Band 06
bist kein richtiger Mann. Ein Mann meines Stammes würde für die Frau, die er liebt, alles tun.“
Ihre Augen blitzten, und im Halbdunkel der Waldlichtung hielt er ihre Tränen für ein verächtliches Funkeln.
Als man später ihre Leichen fand, wurde gemunkelt, dass sie ihn verhext hätte. Nur indem er erst sie und dann sich selbst tötete, hatte er ihren Zauber brechen können.
Seine Familie war einflussreich und ließ die Sache vertuschen, aber die Kunde vom tragischen Ende des Liebespaars verbreitete sich rasch in der gesamten Gegend. Das Haus und der Wald, der es umgab, galten als verwunschen. Wer die Warnungen missachtete und dennoch dort einzog, hielt es nie sehr lange dort aus …
Es war ein geräumiges und stabiles Haus aus rotem Backstein, in georgianischem Stil, mit kleinen Säulenvorbauten und klassisch geschnittenen Fenstern. Ein Haus, wie es sich die Frauen der Oberschicht, mit denen Honor aufgewachsen war, als idealen Ort für Ferien auf dem Lande vorstellten. Trotzdem hatte der jetzige Lord Astlegh keinen Mieter dafür finden können.
Er selbst hatte Honor von der Legende erzählt, die sich darum rankte.
„Hast du jemals ein Gespenst gesehen?“, hatte sie ihn neugierig gefragt.
Er hatte den Kopf geschüttelt. „Kompletter Blödsinn, wenn du mich fragst. Aber weißt du was, du kannst umsonst dort wohnen. Verkaufen kann ich es nämlich auch nicht, es gehört zum Gut. Allerdings müsstest du es selbst renovieren. Die Handwerker aus der Gegend trauen sich nicht hin.“
Honor hatte sich auf den ersten Blick in das malerische Haus verliebt und das Angebot sofort angenommen. Dank Rourkes Hinterlassenschaft würde sie das alte Gemäuer wieder in Stand setzen und ihren lang gehegten Traum verwirklichen können. Sie wollte die heilenden Kräuter, mit denen sie die Leiden ihrer Patienten linderte, selbst züchten. Foxdean war dafür der perfekte Ort. Vielleicht konnten sie ihrem Cousin sogar die Erlaubnis abringen, ein Gewächshaus für besonders empfindliche Pflanzen zu bauen.
Sie war in Haslewichs ausgezeichnetem Öko-Laden gewesen und hatte sich lange mit der Besitzerin unterhalten. Seitdem war sie von so vielen Hilfe suchenden Patienten angerufen worden, dass ihr Terminkalender schon recht voll war.
So konnte sie Maddy Crighton jetzt auch keinen kurzfristigen Termin für den Großvater ihres Mannes geben. „Natürlich müsste ich mir Mr. Crighton erst einmal ansehen, bevor ich etwas für ihn tun kann. Allerdings habe ich leider erst in zwei Wochen einen freien Termin.“
Am anderen Ende entstand eine kleine Pause. „Das ist schade. Aber dann werden wir wohl warten müssen.“
Während sie den Termin notierte, fragte Honor Maddy nach den Beschwerden des Patienten.
„Ben hat sich in den letzten Jahren zwei Hüftoperationen unterzogen, hat aber noch immer Schmerzen“, berichtete Maddy.
„Hat man ihm denn nichts gegen die Schmerzen verschrieben?“
„Doch, aber Gramps hat sie weggeworfen. Er ist ein schwieriger Patient … er hat keine sehr hohe Meinung von Ärzten.“
„Oje“, meinte Honor mitfühlend.
„Gramps ist erst Anfang achtzig, und es muss schlimm für ihn sein, nicht mehr so beweglich zu sein. Er fährt nicht mehr mit dem Auto und kann nicht sehr weit laufen.“
„Sie sollten ihn überreden, das Schmerzmittel zu nehmen, das der Arzt ihm verschrieben hat“, riet Honor ihr.
„Meinen Sie, Sie werden ihm helfen können?“, fragte Maddy voller Hoffnung.
„Bei Gelenkschmerzen bewirkt manchmal schon eine geringfügige Umstellung der Ernährung wahre Wunder. Außerdem kann man das geschädigte Gelenk mit Breiumschlägen behandeln, und es gibt eine Reihe von Kräuterextrakten, die helfen können. Aber das alles bespreche ich besser erst mit Ihnen, wenn ich Mr. Crighton gesehen habe.“
Nach dem Telefonat ging Honor in die altmodische Waschküche von Foxdean, in der sie ihren Destillierraum einrichten wollte. In dem Gang, der zur eigentlichen Küche führte, hatte sie ihre Bücherregale aufgestellt. Sie suchte ein bestimmtes Buch, zog es heraus und nahm es mit an den Küchentisch.
Sie setzte sich und schlug es auf. Es hieß Eine mittel alterliche Kräuterkunde, und sie hatte es in einem kleinen Antiquariat in Wells entdeckt.
Als sie wenig später aufstand, um sich einen Kaffee zu kochen, schlenderte der Kater durch die Tür. Er war kurz nach ihrem Einzug aus dem Nichts aufgetaucht und hatte Honor als sein Frauchen adoptiert. Sie hatte sich nach seinem Besitzer erkundigt,
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