Julia Gold Band 0045
haben, einen Strohhut aufzusetzen.“
„Das war doch klar.“ Amber lächelte auch. „Ich bemühe mich immer, denselben Fehler nicht zwei Mal zu machen.“ Sie war überrascht, wie sehr sie sich freute, dass er da war.
Am Vormittag hatte er für sie gedolmetscht, sich jedoch stets dezent im Hintergrund gehalten. Außerdem war er sehr hilfsbereit gewesen und hatte ein gutes Gespür dafür bewiesen, welche Informationen sie brauchte. Obwohl sie es sich vorher nicht hätte vorstellen können, bildeten sie ein gutes Team.
Seine Anspielung auf den Zwischenfall mit dem Hitzschlag weckte Erinnerungen. Amber stellte sich sogleich wieder vor, wie sinnlich er in ihrem Traum seinen nackten Körper an ihren geschmiegt hatte und welche erotischen Gefühle er durch seine Liebkosungen in ihr wachgerufen hatte.
Sie errötete. Rasch drehte sie sich um und tat so, als würde sie sich für die Kamele interessieren, die sie kurz zuvor entdeckt hatte.
„Irgendwie wirken diese Tiere so hochmütig und arrogant wie keine anderen.“
Etwas Besseres fiel ihr so schnell nicht ein, aber sie wollte unbedingt Konversation machen, damit er sie nicht für unhöflich hielt, weil sie sich so unvermittelt abgewandt hatte.
„Sie scheinen immer auf einen herabzublicken“, fuhr sie fort. „Und die Art, wie sie laufen, sieht auch ein bisschen überheblich aus. Sie schreiten auf den langen Beinen so gelassen umher, als könnte nichts und niemand sie dazu bewegen, schneller zu laufen.“
„Dabei können sie beinah so schnell wie Pferde rennen, wenn sie wollen. Sie müssen sich unbedingt einmal ein Kamelrennen anschauen, solange Sie noch in Ras al-Houht sind. Dann können Sie sich selbst überzeugen, welche Strecken diese Tiere in kürzester Zeit zurücklegen.“
Amber lächelte. Es würde ihr gefallen, bei einem Kamelrennen zuzuschauen, aber wahrscheinlich würde die Zeit nicht reichen. Eigentlich schade, dass ich nicht noch länger hier bleiben kann, dachte sie auf einmal.
„Warum werden ihnen die Vorderbeine an den Knöcheln lose mit einem Strick zusammengebunden?“, fragte sie mit einem Blick auf die Kamele.
„Damit sie nicht zu weit weglaufen. Und damit man sie leichter wieder einfangen kann.“ Er zögerte kurz, dann fügte er etwas spöttisch hinzu: „Sie wissen ja, dass wir Experten darin sind, Menschen und Tiere am Weglaufen zu hindern. Tieren binden wir die Vorderbeine zusammen, Menschen schließen wir ein.“
Sie lachte laut auf. „Ich bin wirklich froh, dass Sie mich wenigstens nicht gefesselt haben.“ Sie sah ihm in die Augen. Es macht Spaß, so zwanglos mit ihm zu plaudern, dachte sie. Sie fühlte sich wohl in seiner Gesellschaft und konnte sich kaum noch vorstellen, dass es einmal ganz anders gewesen war.
Vielleicht war die Stimmung zwischen ihnen am Anfang nur deshalb so gereizt gewesen, weil sie, Amber, Vorurteile gehabt und vieles missverstanden hatte. Sie hatte immer nur das Schlimmste vermutet, ohne einmal darüber nachzudenken, dass sie sich vielleicht irrte. In diesem Zusammenhang fiel ihr plötzlich etwas ein.
„Wer ist der alte Mann?“, fragte sie. „Ich meine den, mit dem Sie gestern kurz nach unserer Ankunft gesprochen haben und der auch zu Ihnen im Palast in die Bibliothek gekommen ist.“
Sekundenlang runzelte er verblüfft die Stirn. Die Frage überraschte ihn offensichtlich.
„Er heißt Saleh Ali“, erwiderte er. „Warum wollen Sie es wissen?“
„Ach, aus keinem besonderen Grund. Mir ist nur aufgefallen, dass Sie ihm viel Zeit widmen. Dabei ist er doch nur ein einfacher alter Mann und niemand Besonderes. Oder ist er etwa eine wichtige Persönlichkeit?“
Der Scheich zuckte die Schultern und schüttelte den Kopf. „Nein, das ist er nicht, wenigstens nicht so, wie Sie es meinen. Saleh Ali ist ziemlich arm und hat ein großes Problem. Sein Enkel ist sehr krank, und die Ärzte hier können ihm nicht mehr helfen. In London könnte man den Jungen operieren und ihm vielleicht das Leben retten. Deshalb ist Saleh Ali zu mir in den Palast gekommen und hat mich gebeten, ihm zu helfen.“
Amber schaute ihn aufmerksam an und hörte auch das aus seinen Worten heraus, was er nicht aussprach. Wahrscheinlich hatte der alte Mann ihn um finanzielle Hilfe gebeten.
„Konnten Sie etwas für ihn tun?“, fragte sie.
„Ja. Der kleine Junge ist bereits mit seinen Eltern nach London geflogen. Morgen soll er operiert werden. Aber ich glaube, wir sollten weitermachen“, sagte er unvermittelt. Offenbar wollte er
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