JULIA GOLD Band 32
sie.
Blinzelnd machte sie breite Schultern aus. Hohe Wangenknochen. Einen faszinierenden Mund. Es gab nur einen Mann, der solch einen Mund hatte. Ihr blieb das Herz stehen. „Was – was – machst du hier?“
„Hallo, Darling. Schön, dich zu sehen.“
Die Zeit blieb stehen, verschob sich, und für den Bruchteil einer Sekunde war sie sprichwörtlich woanders. Es war genau der Tag, an dem sie ihn kennengelernt hatte. Der Tag, an dem sie ihren kleinen Volkswagen zurückgesetzt und seinen silberfarbenen Mercedes gerammt hatte. Ihr Wagen hatte Totalschaden, bei seinem war kaum eine Beule zu sehen.
Bryn spürte wieder diesen Aufprall, sie bekam keine Luft, ihr Mund war vor Beklemmung leicht geöffnet. „Kahlil.“
„Du erinnerst dich also an mich. Schön.“ Er wirkte amüsiert, doch seine goldbraunen Augen lächelten immer, wenn er erbost war. Er wedelte mit einem Blatt Papier. „Vielleicht erinnerst du dich auch hieran“, sagte er mit seiner samtigen Stimme.
Bryn starrte mit leerem Blick auf das Blatt, unfähig, die Worte zu lesen. Nur seine Stimme drang zu ihr durch, diese erotische Stimme, das geschliffene Englisch, das er als Kind auf einem Internat in England gelernt hatte. „Was ist das?“
„Du erkennst es nicht?“
Kraftlos hielt sie sich an der Tür fest. „Nein.“
Kahlil lachte leise. Es war ein warmes, nachsichtiges Lachen. Dieselbe Nachsichtigkeit hatte er ihr gegenüber zu Beginn ihrer Ehe gezeigt. „Es ist das kleine Papier, das bestätigt, dass wir per Gesetz zusammengehören.“
Bryn brachte keinen Ton heraus. Ihre Kehle war wie zugeschnürt. Er muss verrückt sein, dachte sie und zwang sich, ihm in die Augen zu sehen.
Doch er sah nicht aus, als wäre er verrückt. Er wirkte eher ruhig und absolut beherrscht, als wisse er genau, was er tat, als hätte er diesen Überraschungsbesuch genauestens geplant.
Eine Woche vor ihrer Hochzeit …
Ihre Gedanken drehten sich im Kreis, ihr Verstand war lahmgelegt von Schock und Angst. Was wäre, wenn Kahlil Ben entdeckte? Was wäre, wenn er herausfand, dass sie einen gemeinsamen Sohn hatten?
Nein. Sie würde niemals zu ihm zurückgehen. Niemals. Bryn richtete sich zu voller Größe auf. Ihre Entschlossenheit gab ihr Mut. „Ich verstehe nicht, was du willst.“
„Das wirst du aber gleich, Darling.“ Interessiert musterte er sie von oben bis unten. „Ich will wissen, warum du wieder heiraten willst, obwohl du noch mit mir verheiratet bist.“
Noch mit ihm verheiratet? Lächerlich. Wenn er glaubte, er könne sie damit einschüchtern, dann täuschte er sich gewaltig. Schließlich war sie keine achtzehn mehr, war nicht mehr die kindliche Braut.
„Wir sind nicht mehr verheiratet“, entgegnete sie scharf. „Vor drei Jahren sind wir geschieden worden.“ Warum weigerte er sich immer noch, die Scheidung zu akzeptieren? Drei Jahre waren seitdem vergangen, um genau zu sein, dreieinhalb Jahre. „Ich bin nicht in der Stimmung für irgendwelche Spielchen. Vielleicht sind bei euch in Zwar oder überhaupt im Mittleren Osten Scheidungen nicht möglich, aber hier in Amerika sind sie absolut legal.“
„Darling, das weiß ich. Hast du vergessen, dass ich in Harvard Jura studiert habe, einer amerikanischen Universität? Ich weiß sehr gut: Eine amerikanische Scheidung ist legal, doch wir wurden niemals geschieden.“
Der drohende Unterton in seiner Stimme war unüberhörbar. Bryn hob den Kopf, und ihre Blicke trafen sich. „Wenn du das lustig findest …“
„War ich jemals ein Spaßvogel?“
Nein, dachte sie. Er ist tatsächlich ein Mann, dem der Sinn für Humor völlig abgeht.
„Ich versuche nur, dich vor weiteren Peinlichkeiten zu bewahren“, fügte er in seiner aufreizend ruhigen Art hinzu. „Ich hatte überlegt, ob ich warten soll, bis du die Kirche betrittst. Die Szene habe ich schon direkt vor mir gesehen. Die Gäste in den Bänken, dein Bräutigam, ungeduldig wartend am Altar. Im Smoking – er trägt doch einen Smoking, oder?“
Sie konnte es nicht ertragen, Zielscheibe seines Spotts zu sein. In der Vergangenheit hatte sie erlebt, wie er andere fertig gemacht hatte, aber niemals sie. Zu ihr war er immer freundlich gewesen und liebevoll.
Das Herz wurde ihr schwer, als sie daran dachte. Die ungewollte Erinnerung quälte sie. Ihre Ehe war nur kurz gewesen. Zu kurz, aber sie konnte nicht zurück. Konnte die Vergangenheit nicht ungeschehen machen. „Ich denke, es ist Zeit, dass du gehst.“
Er stellte den Fuß in die Tür, um zu
Weitere Kostenlose Bücher