JULIA GOLD Band 32
unmöglich gewesen, als Teenager intensiveren Kontakt mit jungen Männern zu haben. Später hatte sie eine Abneigung entwickelt, rein körperliche Beziehungen einzugehen.
Der erste Kuss, den Faisal ihr gegeben hatte, war zärtlich und sanft gewesen. Doch dass seine Küsse mit der Zeit leidenschaftlicher wurden, machte sie immer nervöser. Wovor hatte sie eigentlich Angst?, fragte sie sich. Faisal liebte sie, er hatte es ihr oft gesagt, und sie war damit einverstanden, seine Frau zu werden.
„Wenn wir erst verheiratet sind, wird das alles anders“, hatte er sie eines Abends beruhigt, als er sich nur mit Mühe unter Kontrolle halten konnte. Felicia konnte eigentlich noch immer nicht glauben, dass jemand sie liebte. Was war denn schon Besonderes an ihr? Gab es nicht Tausende von Frauen mit feiner, heller Haut, rotbraunen Haaren und einer schlanken Figur?
Faisal sagte ihr immer, sie sei viel zu bescheiden. Ihre Augen verglich er mit einer Oase nach dem Regen, ihre Haarfarbe mit dem Sand der Wüste, den die letzten Strahlen der Sonne entzündeten. Die Anmut, mit der sie sich bewegte, erinnerte ihn an die Bewegungen eines Falken im Flug, ihr heller Teint und ihr weicher Mund entzückten ihn immer wieder aufs Neue.
Vor zehn Tagen nun hatte Faisal seiner Familie in Kuwait von seinen Absichten geschrieben. Von seiner Mutter und seinen zwei Schwestern erzählte er Felicia gern und oft, doch seinen Onkel, der nach dem Tod von Faisals Vater die Stelle des Familienoberhaupts eingenommen hatte, erwähnte er nur selten. Obwohl Faisal nie offen darüber sprach, ahnte Felicia, dass das Verhältnis der beiden Männer angespannt war.
Der Stamm, zu dem Faisal gehörte, kam ursprünglich aus der Wüste, wilde, stolze Krieger waren seine Vorfahren gewesen. Über seine Mutter und seinen Onkel war er mit der herrschenden Familie des Landes verwandt.
Mit großen Augen hörte Felicia zu, wenn er von seiner Heimat und seiner Familie erzählte. Alles klang wie ein Märchen aus Tausendundeiner Nacht. Die Großmutter seines Onkels war die Tochter eines englischen Forschers gewesen. Sein Uronkel, ein dunkelhäutiger Araber, hatte die weiße Frau aus der Wüste gerettet und zum Dank dafür verlangt, sie zu heiraten.
Felicia fand die Geschichte sehr romantisch, außerdem beruhigte es sie in gewisser Weise, dass wenigstens etwas englisches Blut in den Adern der Familie floss, in die sie einmal einheiraten würde.
Natürlich war Faisals Familie längst sesshaft geworden. Der Vater seiner Mutter hatte eine Bank in Kuwait gegründet, die mittlerweile Zweigstellen in London und New York besaß und ein riesiges Finanzimperium beherrschte. Den größten Teil der Aktien besaß jedoch zu Faisals Ärger sein Onkel, der somit einen nicht unbeträchtlichen Einfluss auf Faisal ausüben konnte.
Heute schien Faisal wieder besonders schlecht auf seinen Onkel zu sprechen zu sein. Er machte ein paar ärgerliche Bemerkungen, und Felicia fragte ängstlich: „Hast du Neuigkeiten aus Kuwait, Faisal?“
Ärger blitzte in seinen Augen auf und erinnerte Felicia für einen Augenblick daran, wie jung er noch war – gerade zwölf Monate älter als sie.
„Mein Onkel will, dass wir noch warten, ehe wir unsere Verlobung bekannt geben“, rückte er schließlich heraus. „Das macht er absichtlich. Er will nicht, dass ich glücklich bin.“
„Aber wir kennen uns doch wirklich erst sehr kurz“, beruhigte Felicia ihn. „Außerdem kennt deine Familie mich nicht. Kein Wunder, dass sie vorsichtig sind.“ Sie beobachtete erstaunt, wie Faisals Gesichtsausdruck sich veränderte. „Habe ich etwas Falsches gesagt?“
„Genau das sagt Onkel Rashid auch. Aber ich werde ihm beweisen, dass es nicht stimmt, dass Menschen aus dem Osten und dem Westen nicht zusammenpassen. In seinem Brief schlägt mein Onkel vor, dass du nach Kuwait kommst und dir ansiehst, wie wir leben. Aber ich weiß, was er damit beabsichtigt.“ Er lachte kurz auf. „Er nimmt an, dass du ablehnst wie andere europäische Frauen, die sich nur an uns heranmachen, weil wir reich sind. Aber wir werden ihm das Gegenteil beweisen. Wenn wir verheiratet sind, brauchen wir nicht mehr viel Zeit in Kuwait zu verbringen, und das weiß Rashid. Trotzdem besteht er darauf, dass du dich an unsere Sitten gewöhnst. Sag mir, Felicia, willst du nach Kuwait gehen und mir helfen, ihm zu beweisen, dass er sich in dir getäuscht hat?“
Felicia war völlig überrascht, das hatte sie nicht erwartet. Faisals Befürchtungen,
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