JULIA GOLD Band 32
sie die Wanze schließlich an der Unterseite der Tischplatte befestigt hatte, war ihre Arbeit erst halb erledigt. Übernervös schlüpfte Pippa in Kalids Arbeitszimmer und ging zum Schreibtisch. Er war kleiner als Raysims, deshalb musste sie aufpassen, dass die Wanze nicht zu sehen war.
Erleichtert, aber völlig gestresst, kehrte Pippa in ihre Suite zurück und legte sich für einige Minuten aufs Bett. Die Versuchung war groß, einfach hier oben zu bleiben. Sie wollte nicht lächeln und so tun, als wäre die Gefahr vorbei. Hassan wartete jedoch auf sie, um sie seinem Volk vorzustellen. Seufzend stand Pippa auf und legte eine Batterie und eine leere Kassette in das Aufnahmegerät. Sie musste es ständig laufen lassen, und das war ein Problem. Hassan würde anfangen, sich zu wundern, wenn sie alle zwei oder drei Stunden in ihr Schlafzimmer ging, um die Bänder auszuwechseln oder sie zurückzuspulen, wenn sie leer waren. Irgendwie muss ich das eben hinkriegen, sagte sich Pippa und schaltete das Gerät ein.
Hassan kam so leise herein, dass er sie völlig überraschte.
„Ich … ich habe dich nicht gehört“, sagte sie unsicher.
„Als du nicht aufgetaucht bist, habe ich mir Sorgen gemacht. Geht es dir wirklich gut? Verschweigst du mir etwas?“
„Nein, mir ist nichts passiert. Hast du Kopfschmerzen?“, fragte sie, um ihn abzulenken. „Du musst eine ziemliche Beule haben.“
„Damit kann ich fertig werden – wenn man die Alternative bedenkt“, erwiderte Hassan sarkastisch. „Du warst großartig, mein Schatz. Ich verdanke dir mein Leben.“ Er zog Pippa an sich und küsste sie zärtlich.
Die Gefahr war noch nicht vorbei. Verzweifelt schmiegte sich Pippa an ihn. Er verstand es falsch und wurde leidenschaftlicher.
Schließlich löste er den Mund widerstrebend von ihrem. „Ich würde lieber hierbleiben, aber alle warten darauf, dich zu sehen. Wir sollten jetzt nach unten gehen.“
„Ich weiß. Nur einen Moment noch. Ich ziehe mir schnell eine neue Strumpfhose an.“
Hassan sah erstaunt aus. „Was hast du denn die ganze Zeit getan?“
„Tja, ich …“ Während Pippa nach einer Ausrede suchte, erfüllten plötzlich Geräusche den Raum. Eine Tür wurde zugeknallt, dann waren zwei Männerstimmen zu hören. Kalid und Raysim waren in eins ihrer Apartments zurückgekehrt.
Hassan runzelte die Stirn und wollte etwas sagen, dann erkannte er, wer da sprach.
„Du unfähiger Trottel!“, schrie Kalid. „Kannst du niemals irgendetwas richtig machen?“
„Der Mann muss neun Leben haben“, verteidigte sich Raysim. „Hassan sollte inzwischen tot sein.“
„Natürlich sollte er tot sein, du Vollidiot! Du hast drei Chancen gehabt, ihn umzubringen, und du hast jedes Mal versagt.“
„Ihn auf dem Balkon erschießen zu lassen und Akmed die Schuld in die Schuhe zu schieben, war ein guter Plan“, rechtfertigte sich Raysim.
„Nur dass er nicht funktioniert hat.“
„Es war diese Frau. Sie hat Hassan aus der Schusslinie gestoßen“, sagte Raysim hasserfüllt. „Schade, dass Geordal nicht getroffen hat. Ich hatte ihm befohlen, die Ausländerin auch zu töten.“
Hassans Gesichtszüge wurden maskenhaft starr.
„Leider hat er keinen von beiden umgebracht“, schimpfte Kalid.
„Ihr Glück kann nicht ewig anhalten. Beim nächsten Mal überleben sie nicht.“
„Meinst du nicht, dass Hassan irgendwann Verdacht schöpft?“, fragte Kalid spöttisch.
„Er wird tot sein, bevor er etwas unternehmen kann.“
„Wenn nicht, sind wir es. Dieser Fehlschlag hat alles noch schlimmer gemacht. Dank dir ist die Ausländerin jetzt eine Heldin. Widerstand gegen die Heirat ist nicht zu erwarten.“
„Sie wird niemals stattfinden“, sagte Raysim heftig.
„Du hast recht. Ich sorge dafür. Keine Unfälle und Attentate mehr.“
Pippa und Hassan waren entsetzt, als Kalid seinen Plan erläuterte.
„Die Frau ist jetzt sehr beliebt. Man würde ihr zuhören, wenn sie Fragen über Hassans Tod stellen würde, deshalb müssen wir sie diskreditieren und zum Schweigen bringen. Wie wäre es, wenn sie sich als Killerin entpuppte, die hierher geschickt worden ist, um den Sultan zu ermorden?“
„Wer würde das glauben?“, fragte Raysim unsicher. „Sie hat ihm heute das Leben gerettet.“
„Weil sie ihr Geld nicht kassieren will, wenn jemand anders ihren Job erledigt hat. Die Leute werden über Hassans Tod so empört sein, dass sie uns die Geschichte glauben. Besonders da ich nichts dem Zufall überlasse. Einer hält die
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