JULIA GOLD Band 32
dass sein Onkel mit dieser Heirat kaum einverstanden sein würde, schienen sich zu bestätigen. Aber warum nicht? War sie etwa schlechter als die Frauen in Kuwait? Dieser Gedanke forderte sie heraus, und entschlossen hob sie das Kinn. „Wann fahren wir?“
„Ich kann nicht mit dir fahren, Felicia.“ Faisal senkte den Blick. „Onkel Rashid hat angeordnet, dass ich nächste Woche im New Yorker Büro anfangen soll.“
Felicia konnte es kaum fassen. „In einer Woche? Ist das dein Ernst?“
„Rashid versucht, uns auseinanderzubringen“, entgegnete Faisal. „Er weiß, dass ich tun muss, was er sagt. Obwohl er mein Onkel ist, bin ich nichts weiter als ein Angestellter, bis ich meine Aktien bekomme – das ist in drei Jahren, wenn ich fünfundzwanzig bin.“
„Ich könnte mit dir nach New York kommen“, schlug Felicia vor. „Dort würde ich sicher auch Arbeit finden.“
„So einfach ist das leider nicht, meine Liebe. Du könntest natürlich mit mir kommen, aber dann wird er behaupten, du wärst meine Geliebte, und meine Mutter und meine Schwestern könnten dich dann niemals anerkennen. Nein, der einzige Weg ist der, Rashid zu beweisen, dass er unrecht hat … dass du nicht so bist, wie er denkt.“ Faisal ergriff Felicias Hand und sah sie mit flehenden Augen an. „Versprich mir, dass du fährst … um unser beider Zukunft willen. Meine Mutter wird dich herzlich aufnehmen.“
So ganz war Felicia noch nicht überzeugt. Kuwait war eine andere Welt. Aber wenn sie sich weigerte … Nein, sie würde gehen. Sie würde Faisals Onkel beweisen, dass englische Frauen ebenso anständig waren wie die seines Landes. Sie wollte ihm beweisen, wie würdig sie Faisals Liebe war. Nicht einen Augenblick glaubte sie daran, dass Faisals Onkel Wert darauf legte, dass sie sich an die Sitten seines Landes gewöhnte. Er wollte ihr nur beweisen, dass sie nicht als Faisals Frau taugte.
„Rashid wird nicht damit rechnen, dass du seine Einladung annimmst“, bemerkte Faisal, als Felicia ihm ihre Entscheidung mitteilte.
Einladung, dachte Felicia bei sich … War das nicht mehr ein Befehl? Ein Befehl, sich von ihm begutachten und als ungeeignet abtun zu lassen. Um Faisals willen wollte sie es über sich ergehen lassen. Aber Faisals diktatorischer Onkel sollte sich ja nicht einbilden, über sie urteilen zu können.
„Komm mit in meine Wohnung“, bettelte Faisal, als sie das Restaurant verließen. „Ich muss dir noch so viel über meine Familie und unsere Sitten erzählen …“
Gewöhnlich vermied Felicia das Alleinsein mit Faisal, aber an diesem Abend erhob sie keine Einwände, und im Taxi überhäufte sie ihn mit Fragen über sein Land.
„Muss ich einen Schleier tragen … und ein langes Gewand?“
„Natürlich nicht. Die älteren Leute tun das noch, aber unsere jungen Frauen sind modern und gebildet. Kuwait wird dir gefallen, Felicia … ebenso wie mir, obwohl ich auch London mag.“
Faisals Wohnung war elegant eingerichtet, aber sie wirkte übertrieben luxuriös und unpersönlich.
Faisals Diener begrüßte sie und bot Felicia eine Tasse Kaffee an, den sie jedoch ablehnte. Faisal schaltete die Hi-Fi-Anlage ein, dann drückte er auf einen Dimmer, und das Licht wurde schwächer. Die weißen Vorhänge waren schon geschlossen, sodass von den Lichtern der nächtlichen Stadt nichts mehr zu sehen war.
Als Faisal sie in seine Arme nahm, spürte Felicia, wie sich alles in ihr verkrampfte. Warum konnte sie sich nicht entspannen? Schließlich war Faisal der Mann, den sie heiraten würde. Warum empfand sie nicht die Leidenschaft, von der andere so oft sprachen?
„Was ist los? Wenn ich dich anrühre, fängst du an zu zittern wie eine Taube in den Klauen eines Falken“, sagte Faisal vorwurfsvoll. „Wenn wir getrennt sind, träume ich nur noch von dem Augenblick, in dem ich die goldene Kette von deinem Brautkleid nehme und die hundert Knöpfe öffne, um die tausend Schönheiten deines Körpers zu entdecken. Mach dir keine Sorgen, deine Zurückhaltung ist ganz natürlich. Du bist so rein wie die Tauben im Garten meiner Mutter, und das wird nun auch mein Onkel bald wissen.“
Faisal war so sicher, dass sich ihre Scheu nach der Heirat verlieren würde. Aber wenn es nun nicht so war? Obwohl ihr Herz ihm uneingeschränkt gehörte, flößte der Gedanke an körperliche Liebe Felicia Angst ein. Das Wissen, dass sie noch keinen festen Freund gehabt hatte, machte sie für Faisal nur noch begehrenswerter – das wusste Felicia. Sollte das
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