JULIA GOLD Band 32
werden. Dennoch siegte ihre Müdigkeit am Ende, und sie schlief ein.
Sie schreckte hoch, als Rashid den Motor abschaltete, und folgte den anderen ins Haus. Umm Faisal bot ihr noch einen Kaffee an, doch sie lehnte ab. Sie wollte so schnell wie möglich ins Bett und mit der Erinnerung an die kostbaren Minuten, in denen Rashid sie sanft und ohne Groll in den Armen gehalten hatte, einschlafen.
9. KAPITEL
Am nächsten Tag ging Felicia in den Hof, während Zahra etwas mit Umm Faisal zu erledigen hatte. Umm Faisal hatte ihr am Morgen die rosa Seide gezeigt, aus der Zahras Hochzeitskaftan gemacht werden sollte, und wehmütig hatte Felicia über den kühlen Stoff gestreichelt.
Später hatte Zahra ihr Sauds Namenstagsgeschenke gezeigt: ein mit einem Türkis besetztes Armband, das schon seit Jahren im Familienbesitz war, goldene Halsketten mit Rubinen, Ringe und Fußkettchen sowie einen Gürtel aus reinem Silber, der, wie Zahra ihr erklärte, symbolische Bedeutung hatte. Wenn die Braut ihn einmal angelegt hatte, durfte nur der Bräutigam ihn wieder abnehmen.
„Rashid hat noch immer den Gürtel seiner Großmutter“, erzählte Zahra ihr. „Obwohl er Christ ist, wird er auch nach mohammedanischem Brauch heiraten. Es ist der Wunsch seines Großvaters. Er wollte, dass beide Religionen friedlich nebeneinander existieren.“
Jedes Mal, wenn von Rashid die Rede war, überkam Felicia eine ungeheure Spannung. Wann würde er sie zu sich rufen und ihr sagen, da Faisal sie nun nicht zur Frau wolle, sollte sie nach England zurückkehren? Sie brachte einfach nicht den Mut auf, selbst zu Rashid zu gehen und ihn um das Geld für den Rückflug zu bitten – weil sie wusste, dass sie ihre große Liebe zurücklassen würde, wenn sie dieses Land verließ.
Sie saß am Brunnen und starrte ins Wasser, aus der Ferne hörte sie das Gurren der Tauben. Sie merkte nicht, dass sie beobachtet wurde: Rashid stand im Schatten der Zitronenbäume. Sein Blick wanderte von ihrem lohfarbenen Haar über ihre leicht gebräunten Arme hin zu ihrer schlanken Taille. Dann wandte er sich plötzlich ab, und erschrocken flogen die Tauben auf.
Felicia sah auf, und ihr Herz machte vor Freude einen Sprung. „Scheich Rashid!“
Er neigte den Kopf in der Felicia mittlerweile schon so vertrauten Weise und kam näher.
„Haben Sie von Faisal gehört?“
„Nein“, antwortete er kurz. „Vermissen Sie ihn so sehr? Vielleicht habe ich Ihnen doch unrecht getan. Vielleicht lieben Sie ihn wirklich.“
Jetzt war die Gelegenheit, ihm die Wahrheit zu sagen. Felicias Lippen bebten, als sie beginnen wollte, doch Rashid kam ihr mit einem zynischen Kommentar zuvor: „Aber der Schein kann trügen. Die Sonne verwandelt die Farbe Ihrer Haut in die der unseren, aber sie kann nicht verändern, was darunter liegt. Ihre Ehe mit Faisal kann nicht glücklich werden.“
„Östliche und westliche Kultur können sehr wohl harmonisch nebeneinander existieren“, protestierte Felicia. „Ihre Großeltern …“
„Sie waren eine Ausnahme“, unterbrach Rashid sie. „Meine Großmutter gab freiwillig alles auf, um bei meinem Großvater zu sein. Wollen Sie tatsächlich behaupten, dass Ihre Liebe zu Faisal so stark ist? Würden Sie mit ihm durch die Wüste wandern?“
Ihre Augen gaben ihm die Antwort: Mit Faisal nicht, aber mit dir … Für ihn ginge sie barfuß durch die Hölle. Felicia verspürte das Verlangen, ihn zu berühren, seinen Mund zu küssen und seinen Körper an dem ihren zu spüren. Sie schloss die Augen und betete inständig, diese quälenden Vorstellungen abschütteln zu können.
Als sie wieder aufblickte, beobachtete Rashid sie nüchtern. „Sie sollten vorsichtiger sein und nicht allein hier draußen herumlaufen.“
„Befürchten Sie, wilde Wüstenbewohner könnten mich entführen?“ Felicia lächelte schwach. „Sie würden mich genauso verachten wie Sie … mich als wertlos und minderwertig betrachten, eine Frau ohne Tugenden, deren Leben nicht mehr wert ist als ein Sandkorn.“
„Faisal hat Sie nicht verachtet … und ihm gehört Ihr Herz immer noch, nicht wahr?“
Sie sah ihm nach, wie er im Schatten der Arkaden verschwand. Ihr Herz war schwer wie Blei. Der Garten hatte all seinen Zauber verloren, und so ging sie zurück in ihr Zimmer.
Sie holte das Parfumfläschchen aus der Schublade und öffnete es, und der frische Duft ihrer Heimat, vermischt mit einer bittersüßen Nuance, hüllte sie ein wie eine Wolke. Wie gut der Parfumhändler sie doch eingeschätzt
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