JULIA GOLD Band 32
entdecken. Hubaras sind schlaue Tiere. Sie sind zwar nicht schnell, aber wenn die Falken über ihnen kreisen, stellen sie sich tot. Außerdem spritzen sie eine schleimige Flüssigkeit in die Augen der Falken, die diese wehrlos macht. Du siehst also, die Chancen sind keineswegs unausgeglichen.“
Achmed lächelte. „Ich nehme an, dass das Ihrem Sinn für Fairness entgegenkommt, Miss Gordon. Eine Hubara ist ganz gut in der Lage, ihren Jäger zu überlisten.“
Zahra reichte ihr einen Becher mit frischem Limonensaft, und Felicia setzte sich neben sie.
„Wie gefällt Ihnen die Wüste, Miss Gordon?“ Rashids Stimme ließ Felicia hochschrecken. Hatte er Faisals Brief schon gelesen und wollte sie quälen, indem er die Sache hinauszögerte?
„Sehr gut.“ Sie sah sich um. „Hier frage ich mich immer, wie ich es ertragen konnte, den ganzen Tag in einem engen Büro zu sitzen – wie ein Tier im Käfig. Aber selbst der Freieste unter uns ist an irgendetwas gebunden. Je größer die Verantwortung, desto enger die Fesseln. Eine Frau, die sich entschließt, ihr Leben mit einem Mann zu teilen, muss lernen, auch die Vorliebe für seine Hobbys zu teilen.“
„Spielen Sie auf meine Großmutter an? Sie war eine Ausnahme. Es gibt nicht viele Frauen, die aus Liebe zu einem Mann alles andere aufgeben. Damals war meine Familie bei Weitem nicht so wohlhabend wie heute, und das Leben war hart. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie mit Ihrer verwöhnten Lebensart auf alle Annehmlichkeiten verzichten, nur um bei einem einzigen Mann zu sein.“
„Weil Sie es sich nicht vorstellen wollen“, erwiderte Felicia ruhig. „Sie sehen in mir nur das, was Sie sehen wollen.“
„Ich wünschte, es wäre so“, entgegnete Rashid rau. Und nach einer kleinen Pause: „Jetzt sind Sie verärgert, nicht wahr? Ihre Augen lodern wie grüne Flammen im Krater eines Vulkans. Als ich Sie vor Kurzem in den Armen hielt, glänzten sie geheimnisvoll wie Jade.“
„Rashid, Felicia, seid ihr fertig zum Essen?“
Felicia wusste nicht, ob sie Nadia danken oder sie verfluchen sollte. „Ja“, rief sie zurück und erhob sich.
Nach der kleinen, leichten Mahlzeit gingen die Männer sofort hinüber zu den Falken.
„Jetzt sind wir nur noch unerwünschte Anhängsel“, lachte Nadia. „Wenn ich dir einen Rat geben darf: Setz dich vorn auf den Beifahrersitz und halt dich fest. Diese Fahrten sind die reinste Tortur. Die Männer legen großen Wert darauf, keinen Falken zu verlieren, und sie nehmen keine Rücksicht auf ihre weiblichen Begleiter.“
Felicia war dankbar für Nadias Warnung. Als sie ins Auto stieg, wanderte ihr Blick automatisch zu der Stelle, wo die Briefe gelegen hatten. Sie waren fort.
Felicias Herz begann, schneller zu schlagen. Rashid hatte Faisals Brief also höchstwahrscheinlich gelesen, und es würde nicht mehr lange dauern, bis er sie zur Rede stellte … Hätte sie doch nur den Mut gehabt, ihm vorher alles zu erklären.
Der Jeep schwankte, als Rashid einstieg. Er startete den Motor, und los ging die wilde Jagd … immer hinter dem Falken her, der sich nur noch wie ein dunkler Punkt gegen den blauen Himmel abhob.
Sie fuhren durch tiefe Täler und steile Abhänge hinab, wobei Rashid alles aus dem Motor herausholte. Felicia wurde gegen die Tür, das Armaturenbrett und wieder zurück in den Sitz geschleudert. Der feine Sand drang ihr in Ohren und Mund.
Plötzlich rief Selim etwas aus, und Rashid bremste scharf. Der winzige Fleck am Himmel verschwand. Fluchend wendete Rashid den Landrover und raste über ein flaches Plateau dahin. Felicia flog hart gegen die Tür. Sie hatte das Gefühl, dass nicht ein Knochen in ihrem Leib mehr heil war.
„Alles in Ordnung?“, erkundigte sich Rashid kurz.
Sie konnte nur nicken. Trotz der Anstrengung und der vielen blauen Flecken, die sie sicher davontragen würde, musste Felicia zugeben, dass sie froh war, mitgekommen zu sein.
Der Falke am Himmel blieb unbeweglich über einem Punkt stehen, dann ließ er sich mit unglaublicher Geschwindigkeit zur Erde fallen. Die Hubara hatte keine Chance: Diesmal blieb der Falke Sieger.
Beide Landrover hielten, und die Diener stiegen aus, um auf die Rückkehr des Falken zu warten. Dann begann das Spiel von Neuem.
Die Sonne stand schon tief, als Rashid die Jagd für beendet erklärte. Erschöpft und zugleich begeistert von dem einmaligen Erlebnis ließ Felicia sich in ihren Sitz zurücksinken. Sie versuchte, sich ein wenig zu entspannen, während sie in Richtung
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