Julia Gold Band 47
berühren. Genau das tue ich. Wie soll ich dabei mogeln?“
„Ich weiß nur, dass ich ein Meter achtzig und du ein Meter sechzig groß bist. Warum schlägst du mir den Hut immer zuerst vom Kopf?“
„Das hat mit Intelligenz zu tun. Vielleicht solltest du auch einmal den Verstand einschalten.“
Mickey fluchte und griff nach der Schaufel. „Warum bist du nicht wie andere Mädchen, sondern so ein Wildfang?“
„Ich bin kein Wildfang, du bist nur ein schlechter Verlierer“, erwiderte sie und wandte sich ab, damit er nicht merkte, dass sie verletzt war. In Wahrheit war sie im Waisenhaus fast nur mit Jungen aufgewachsen, sodass sie gar nicht wusste, wie sich ein Mädchen verhielt.
Manchmal würde sie gern die richtigen Worte finden und die angemessene Kleidung tragen statt ihrer Jeans und weiten Hemden. Besonders seit Rose Coleman-El Jeved auf die Ranch gekommen war. Sie war so schön und selbstsicher, dass man sie sich leicht als Königin aus den Märchen vorstellen konnte, die Livy den Kindern im Waisenhaus vorlas. Nur dass Rose wirklich eine Königin war und tatsächlich in einem Palast gelebt hatte …
Livy streckte sich und holte ihre Handschuhe. Würden Mickey und die anderen Jungs lachen, wenn sie von ihren albernen Tagträumen erführen? „Bis später“, sagte sie, „ich arbeite jetzt mit Khalid.“
Überrascht starrte Mickey sie an. „Du lässt mich doch wohl nicht dreißig Boxen allein ausmisten?“
„Sei froh, dass du nicht alle sechzig ausmisten musst.“ Sie ging fort, bevor sie wieder nachgab und ihm half, denn sie hatte noch etwas vor. Zwar wollte sie wirklich mit Khalid arbeiten, aber vorher wollte sie noch mit ihrem eigenen Pferd sprechen.
Olivia war überzeugt, dass Prince das einzige Lebewesen war, das sie verstand. Natürlich hatten sie eine gemeinsame Vergangenheit. Niemand hatte ihn gewollt, und ihre Eltern hatten sie auf den Stufen von St. Mary’s abgelegt, bevor sie reden konnte.
Als sie Prince in seiner Box erblickte, lächelte sie. Prince Charming hatte es allen gezeigt, denn er war ein feiner Hengst geworden. Selbst die Trainer und Züchter, die ihn erst abgelehnt hatten, boten ihr jetzt eine Menge Geld für ihn. Deshalb war sie sehr stolz, aber sie würde ihn niemals verkaufen.
„Wie geht’s dir, Junge?“ Mit einer Hand holte sie seine Tagesration Zucker aus der Tasche, mit der anderen streichelte sie ihn. „Du siehst heute sehr gut aus, junger Mann.“ Sie lachte, als er ihren Nacken berührte. „Danke, aber du bekommst nur einen Würfel.“
Danach führte sie ihn aus der Box auf den Reitplatz. Jetzt war es nicht mehr so heiß, und sie wünschte, dass sie mit ihm ausreiten könnte. In einer Woche würden sie und Prince beim jährlichen Hill Country Breakneck – Rennen hoffentlich ein Vermögen gewinnen. Am Sieg zweifelte sie kaum, da Prince sehr schnell war.
Intelligent war er auch, sodass sie ihn bei Schauen vorführen könnte, wie Mac Coleman, der Cheftrainer, vorgeschlagen hatte.
„Jetzt zeig mal, an was du dich erinnern kannst.“ Sie führte ihn langsam um den Platz. Sein schwarzes Fell glänzte, und Olivia war sehr stolz.
Nach einer Weile schaute sie zum Himmel. Der Sonne nach zu urteilen, war es ungefähr fünf Uhr. Jetzt musste sie mit Khalid arbeiten. Prince spürte, dass sie ihn wieder in die Box bringen würde, und zog sich zurück.
„Ich wünschte, ich könnte bei dir bleiben“, entschuldigte sie sich. „Aber wenn ich nicht arbeite, dann zahlt keiner für das Futter, das du in Unmengen verschlingst.“
Die Arbeit mit Khalid war angenehm, und Livy bemühte sich, ihren Eifer Prince gegenüber nicht zu zeigen. Khalid war sehr schön, lernte schnell, und sie liebte das Araberfohlen, als wäre es ihr eigenes.
Er begrüßte sie begeistert und nickte mit dem Kopf, weil er wusste, dass er sie damit zum Lachen brachte.
„Komm schon, du kleiner Räuber.“ Sie führte ihn nach draußen, und er zog kräftig, weil er mit dem Unterricht beginnen wollte. Heute war er lebhafter als sonst, sodass sie ihn mehrmals beruhigen musste.
Nachdem sie ihn drei Mal im Kreis geführt hatte, verstand sie, warum Khalid so außer Rand und Band war. Er liebte Publikum, und zwei Leute standen an der Seite des Übungsplatzes und beobachteten sie. Überrascht fragte Livy sich, wie lange sie wohl schon dort standen. Als sie mit dem Unterricht nicht fortfuhr, kamen die beiden auf sie zu.
Die Männer gingen nicht nebeneinander, sondern der mit dem dunklen Bart ging einige
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