Julia Gold Band 47
Eindruck gemacht, wenn ich eher gegangen wäre.“
Polly zuckte die Schultern. „Du bist mir keine Erklärung schuldig“, erwiderte sie kühl.
Raschids Miene verfinsterte sich. „Ich betrachte das als Geste der Höflichkeit.“
Wortlos ergriff Polly ihren angefangenen Brief und wollte sich zurückziehen, doch Raschid hielt sie zurück und setzte sich ihr gegenüber in einen Sessel. „Man hat mir berichtet, dass du den Palast während meiner Abwesenheit überhaupt nicht verlassen hast. Du hättest dir doch einen Wagen bestellen können.“
„Mir war nicht danach.“
„Aber eine Ausfahrt hätte dir sicher Spaß gemacht. Du bist hier keine Gefangene, Polly“, bemerkte Raschid.
Gleichmütig zuckte Polly die Schultern: „Von einem Wagen hat mir niemand etwas gesagt. Und wohin hätte ich schon fahren sollen? Nach Jumani? Ich habe doch kein Geld.“
Betroffen blickte Raschid drein. „An diese Dinge hätte ich denken müssen. Du hast wirklich Grund, dich zu beklagen.“
„Ich habe mich nicht beklagt.“
Raschid seufzte. „Ich hätte dich anrufen sollen. So viel Rücksichtnahme hätte ich aufbringen müssen.“
Es störte Polly, dass Raschid es als Pflicht betrachtete, sich um sie zu kümmern. „Schon gut“, wehrte sie steif ab. „Ich habe nichts vermisst.“
Raschid lächelte reumütig. „Morgen fahre ich mit dir nach Jumani. Dort kannst du dir in den Möbelgeschäften aussuchen, was du brauchst.“ Er blickte sich in dem gedämpft erhellten Raum um und bemerkte die gemütliche Ecke, die Polly sich eingerichtet hatte. „Ich habe bisher niemanden hierher eingeladen. Offen gestanden, habe ich das Zimmer zuvor noch nicht mal benutzt.“
Polly stand auf. „Also gut. Gehen wir morgen Möbel kaufen. Ich lege mich jetzt schlafen, wenn du nichts dagegen hast.“
Raschid nickte. „Geh ins Bett, wenn du möchtest. Ich muss noch einige Arbeiten erledigen.“
An der Tür blickte Polly rasch über die Schulter zurück. Raschid stand reglos am Fenster. Er brauchte sie nicht. Brauchte er überhaupt jemand?
Raschid beschenkte sie mit kostbarem Schmuck und wollte, dass sie Möbel für ein Heim aussuchte, das niemals ihr Zuhause sein würde. Glaubte er wirklich, dass sie sich so leichter mit ihrem Schicksal abfinden würde?
Im Morgengrauen bemerkte Polly, dass sie an Raschid gekuschelt lag, obwohl in dem riesigen Bett genug Platz war. Vorsichtig wollte sie etwas abrücken, doch Raschid drehte sich um und zog sie wieder an sich. Er sagte etwas auf Arabisch, ehe er sie verlangend küsste. Und wieder versank sie im Meer der Leidenschaft …
Verschlafen öffnete Polly die Augen und erkannte Raschid angekleidet am Fußende des Bettes stehen.
„Wie spät ist es?“, flüsterte sie.
„Fast halb sieben.“
„So früh?“ Erleichtert schloss Polly die Augen wieder.
„Um diese Zeit ist es am kühlsten“, erklärte Raschid. „Später wird es zu heiß für dich sein. Ich reite morgens immer aus. Begleite mich.“
Polly rekelte sich träge. „Ich bin keine gute Reiterin, Raschid.“
„Das macht doch nichts.“
„Außerdem habe ich keine Lust auszureiten.“
„Sei nicht kindisch, Polly. Warum machst du es uns beiden so schwer?“
„Komisch, dass ich immer kindisch bin, wenn ich mit dir nicht einer Meinung bin“, hielt Polly ihm anklagend vor.
Nachdem Raschid gegangen war, wälzte sie sich eine Weile rastlos im Bett herum. Schließlich stand sie doch auf, weil ihr bewusst wurde, dass sie die Kluft zwischen ihnen mit ihrem Verhalten nur vergrößerte.
Zwanzig Minuten später erschien Polly atemlos im Hof und sah, wie Raschid sich in den Sattel eines herrlichen schwarzen Araberhengstes schwang. Da sie das Gefühl hatte, zu spät zu kommen, verzichtete sie darauf, sich bemerkbar zu machen.
„Das nenne ich Zusammengehörigkeitsgefühl!“
Polly fuhr herum und entdeckte Asif, der vergnügt lächelnd auf sie zukam. „Marzouk und Raschid sind ein tolles Gespann. Willst du ihn nicht begleiten?“
Polly wurde verlegen. „Nein.“
„Er reitet sonst lieber allein aus, aber jetzt, da du hier bist, wird sich das sicher ändern“, vermutete Asif.
Sie lächelte unsicher. „Ich kann nicht gut reiten und würde ihm nur zur Last fallen.“
„Mir würdest du nicht zur Last fallen, Polly.“ Bewundernd betrachtete Asif sie und seufzte. „Ich sollte nicht mit dir flirten, aber bei deinem Anblick vergesse ich meine guten Vorsätze.“ Mit einem finsteren Blick zu Raschid, der durch das Tor ritt, setzte er
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