Julia Gold Band 47
außerhalb des Palastes nie. Seif und Raoul sind dir in angemessenem Abstand gefolgt, seit du das Haus verlassen hast.“
Polly blickte in die angegebene Richtung und entdeckte im Schatten der Mauer zwei Gestalten. Raschids Leibwächter. „Warum folgen die Männer mir?“
„Zu deinem Schutz.“
Ehe Polly etwas erwidern konnte, ertönten auf dem Balkon über ihnen Stimmen. Die beiden stritten sich heftig. Einer von ihnen war Asif.
„Wir sollten lieber hineingehen“, schlug Raschid vor.
„Jedes Paar hat einmal Meinungsverschiedenheiten.“
Raschid machte ein finsteres Gesicht. „Aber nur wenige so viel wie die beiden.“
„An Chassa dürfte das bestimmt nicht liegen“, betonte Polly. „Sie ist sehr sanft und nachgiebig.“
„Du kennst die Sachlage nicht.“
„Dann kläre mich auf.“
Raschid schwieg eine Weile. Endlich warnte er: „Misch dich da bitte auf keinen Fall ein.“
Polly fühlte sich gemaßregelt und als Außenstehende abgetan, die nicht wirklich zur Familie gehörte. Sie mochte Asif und Chassa, aber es wäre ihr niemals eingefallen, die Nase in Dinge zu stecken, die sie nichts angingen.
„Chassa fühlt sich nicht so gut, wenn sie schwanger ist“, fuhr Raschid fort. „Da erhitzen sich die Gemüter schnell.“
Polly spürte instinktiv, dass er etwas zu überspielen versuchte.
Hinter dieser Sache steckte mehr. Als er den Arm um Polly legte, um mit ihr in den Palast zurückzukehren, kam ihr plötzlich ein Gedanke, der sie beunruhigte.
Was war, wenn sie schwanger wurde? Die Möglichkeit bestand durchaus. Seltsamerweise hatten sie darüber nie gesprochen. Glaubte Raschid vielleicht, sie hätte Vorkehrungen getroffen? „Was hast du, Polly?“ Forschend blickte er sie an.
„Mir ist gerade etwas eingefallen, das dir noch gar nicht in den Sinn gekommen zu sein scheint. Was wird aus unserer befristeten Vernunftehe, wenn ich ein Baby erwarte?“, fragte Polly. „Oder hast du da auch schon einen Plan? Hoffst du etwa auf einen Erben, ohne eine lästige Ehefrau in Kauf nehmen zu müssen? Das käme dir doch recht gelegen, oder etwa nicht?“
Das Licht der Hausbeleuchtung fiel auf Raschids Gesicht, das unnatürlich blass wirkte. In seinen Augen lag ein merkwürdiger Ausdruck, doch er erwiderte erstaunlich beherrscht: „Du vermutest falsch, Polly. Ich kann keine Kinder zeugen. Solange du mit mir zusammenlebst, läufst du keinerlei Gefahr, Mutter zu werden.“
Polly war so erschüttert, dass sie Halt suchend nach dem Treppengeländer griff.
„Tut mir leid … ich habe dich schockiert.“ Raschids Miene war ausdruckslos. „Tut mir leid, dass ich dich so brutal aufgeklärt habe, aber du hast mich dazu gezwungen.“
Hinterher wusste Polly nicht mehr, wie sie die Treppe hinaufgekommen war. Zu viel stürmte plötzlich auf sie ein. Also war es gar nicht Berah gewesen, die keine Kinder haben konnte …
Raschid stand an einem der hohen Salonfenster und sah Polly an. „Sicher fragst du dich jetzt, warum ich dir dies bei unserer ersten Begegnung verschwiegen habe. Wenn ich diese Ehe auf eigenen Wunsch und als dauerhafte Verbindung eingegangen wäre, hätte ich dir selbstverständlich davon erzählt. Doch so, wie die Dinge lagen, hielt ich das nicht für notwendig. Vor einiger Zeit hatte ich jedoch vor, mit dir über dieses Thema zu sprechen – ehe ich nach New York flog“, ergänzte er ruhig. „Doch an jenem Abend bist du zeitig schlafen gegangen, und als ich zurückkam, dachte ich, du wüsstest inzwischen Bescheid.“
Polly begann zu ahnen, wie sein Leben mit einer Frau ausgesehen haben musste, die sich verzweifelt ein Baby gewünscht hatte. „Ich wusste nichts davon“, sagte Polly leise.
„Das ist mir jetzt klar. Möglicherweise dachtest du, es hätte an Berah gelegen. Nein, schuld an unserer Kinderlosigkeit war ich. Aber nach so vielen Jahren berührt mich dieses Versagen nicht mehr so sehr. Insh’allah .“
Bei den letzten Worten hatte Raschids Stimme nicht mehr ganz so fest geklungen. Sein Stolz verbot ihm zuzugeben, dass er litt. Mitgefühl und Zärtlichkeit erfüllten Polly, aber sie wusste, dass sie ihm das jetzt nicht zeigen durfte. Sachlich entgegnete sie: „Das betrifft uns beide ja im Grunde genommen nicht.“
Die Neugier trieb sie hinzuzusetzen: „Aber ich wüsste gern etwas mehr über Berah. Falls du über sie jedoch nicht sprechen möchtest, respektiere ich das natürlich.“
Raschids Miene wurde abweisend. „Da gibt es nicht viel zu erzählen. Für eine arabische
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