Julia Gold Band 47
im Gesicht? Die beiden hatten die gleichen dunklen Augen, das gleiche dichte dunkle Haar.
„Die Ehe ist eine schwere Verpflichtung. In deinem Land wie in meinem. Aber es gibt auch Unterschiede. In meinem Land dauern die Ehen lebenslang. Bei uns sind Scheidungen selten“, sagte der Scheich. „Wusstest du das?“
„Liegt es am Druck der Familie?“, wagte sie zu fragen.
„Nur zum Teil. Es liegt vielmehr daran, dass bei uns die Ehen arrangiert werden. Wir glauben nicht an Romantik und Selbstverwirklichung wie die Menschen in diesem Land. Wir glauben an die Verbindung zweier Familien.“
„Und was halten Sie von der Liebe?“
„Liebe? Ich bin froh, dass du danach fragst“, sagte er und setzte seine Tasse ab. „Die Liebe kommt mit der Zeit. Sie entwickelt sich, wenn man den richtigen Partner gewählt hat. Besser noch, wenn die Eltern, die weiser und erfahrener sind, ihn ausgesucht haben.“
Emily fühlte sich benommen. „Sie hätten für Ben sicher eine andere Frau gewählt.“
„Ich hatte für Ben tatsächlich eine andere Frau ausgesucht. Die Tochter meines besten Freundes. Aber Ben ist eigensinnig und wurde in Amerika ausgebildet. Er folgte meinem Ratschlag nicht. Ich gebe zu, dass ich enttäuscht war.“
„Es tut mir leid“, murmelte sie und schlug die Augen nieder.
„Das muss es nicht. Das Ganze gehört längst der Vergangenheit an. Ich hatte genügend Zeit, mich damit abzufinden, dass er einmal eine Amerikanerin und Christin heiratet. Schließlich lebt und arbeitet er hier. Meine Sorge war vielmehr, ob er eine Frau findet, die zu ihm passt. Nun bin ich erleichtert. Er hat richtig gewählt. Ich hoffe, er ist deiner würdig.“
Das Geständnis verschlug Emily die Sprache. Sie nippte an ihrem Tee und blickte auf ihre Schuhspitzen.
„Ich weiß, dass du ihn nicht liebst.“
Fast hätte sie sich verschluckt.
„Aber du wirst lernen, ihn zu lieben. Davon bin ich überzeugt.“
Emily kämpfte gegen die aufsteigenden Tränen. Ja, sie würde lernen, Ben zu lieben. Sie übte ja schon seit drei Jahren. Aber würde er lernen, sie zu lieben? Wohl kaum.
„Mein Sohn wirkt vielleicht kühl, distanziert und geschäftsmäßig“, fuhr der Scheich fort. „Aber darunter verbirgt sich ein warmherziges Wesen. Wenn ihr erst einmal verheiratet seid, wird er sich öffnen und ein ganz normales Familienleben führen wollen.“
In diesem Moment platzte Ben zur Tür herein. Er wirkte überrascht, seinen Vater und seine Braut beim Teetrinken anzutreffen.
„Wir sprechen gerade von dir“, erklärte der alte Scheich.
„Das habe ich befürchtet“, gab Ben zu. „Was hast du über mich erzählt?“
„Dass Emily sich nicht von deinem kühlen Äußeren irritieren lassen soll, weil darunter ein warmes, liebevolles Herz schlägt.“
Emily hätte schwören können, dass Ben rote Ohren bekam. Aber er übernahm rasch die Kontrolle über das Gespräch.
„Ich danke dir, Vater. Diese Neuigkeit hat Emily sicher gern gehört. Doch sie kennt mich besser als jeder andere Mensch. Schließlich teilt sie seit Langem mit mir hier im Büro die schlechten und die guten Zeiten. Sie weiß genau, worauf sie sich einlässt, stimmt’s, Emily?“ Er durchquerte den Raum und legte ihr eine Hand auf die Schulter.
„Natürlich“, antwortete sie pflichtgemäß. Diese Show zog Ben für seinen Vater ab. Aber sie genoss die Wärme seiner Hand und hätte am liebsten ihr Kinn dagegengeschmiegt.
Doch dann erhob sie sich und entschuldigte ihren überstürzten Aufbruch mit einer Menge Aufgaben, die auf sie warteten.
Sie hatte tatsächlich noch viel zu erledigen. Sie musste das Haus aufräumen und die Sachen zusammensuchen, die sie mit in Bens Wohnung nehmen wollte. Peggy half ihr, so gut sie konnte, und packte auch den Koffer für die Hochzeitsreise zu den San Juan Inseln. Emily war dankbar für die Unterstützung, vor allem, weil Peggy angeboten hatte, sich um Emilys Rosen zu kümmern.
Den Abend vor der Hochzeit verbrachte sie allein. Es gab nichts mehr zu besorgen. Nun galt es, Abschied zu nehmen. Bedrückt wanderte Emily durch ihr kleines Haus und durch den Garten. Es fiel ihr schwer, sich von der Vergangenheit zu trennen, auch wenn es nur für ein paar Monate war. Wie würde es sein, wenn sie in einem Jahr in ihr altes Zuhause zurückkehrte? Mit einem gebrochenen Herzen. Würde sie es dann wagen, ihrer Familie und Peggy die Wahrheit anzuvertrauen?
Sie war schon auf dem Weg ins Bett, als das Telefon klingelte. Ben fragte noch einmal,
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