Julia Gold Band 47
sein Büro. Er verschloss nicht die Tür hinter ihr. Er machte keine Anstalten, sie auf dem Schreibtisch oder dem Teppichboden zu verführen. Obwohl er wusste, was sie unter ihren scheußlichen Röcken, Jacken und Blusen trug. Und dabei dachte er nicht an die schöne Wäsche, die sie von ihm geschenkt bekommen hatte. Auch nicht nur an ihren wunderbaren Körper mit der seidigen Haut. Sondern vor allem an Emily, seine herzliche, sinnliche, unglaublich verantwortungsbewusste Frau, die ihr natürliches Bedürfnis nach Sexualität unterdrückte.
Merkwürdigerweise hatte er bei der Arbeit mehr mit ihr zu tun als zu Hause. Im Büro gab es klar definierte Rollen, und sie gingen weniger steif miteinander um. Nach Feierabend mied sie ihn. Ihre gesamte Freizeit verbrachte sie in Gartenzentren oder über Blumenkataloge gebeugt. Manchmal bedauerte er es, ihr den Floh mit dem Garten ins Ohr gesetzt zu haben.
Die Terrasse wurde ihr Territorium. Um sie nicht zu stören, zog er sich mehr und mehr in sein von Büchern überquellendes Arbeitszimmer zurück. Aber eines Tages fühlte er sich unruhig und rastlos. Wüsste er es nicht besser, hätte er gedacht, dass ihn die Einsamkeit plagte. Aber das war unmöglich. Schließlich hatte er jahrelang allein gelebt und es genossen, nach der Arbeit keinen Menschen mehr sehen zu müssen.
An diesem herrlichen warmen Sommerabend ging er in der Wohnung auf und ab. Es war ihm, als suchte er etwas. Er wusste nicht, was. Er wusste nur, dass Emily da draußen war. Vielleicht wollte er sie wieder einmal in etwas anderem als in einem dieser sackförmigen Kostüme sehen. Jedenfalls trieb es ihn raus. Schon als er in der Tür stand, entdeckte er die Verwandlung. Emily hatte aus der sterilen Terrasse einen Garten gemacht. An Spalieren rankten Kletterrosen. Teerosen, die sie in Kübel gesetzt hatte, verströmten einen betäubenden Duft, und kleine, in Kästen gepflanzte Büsche standen in bunter Blütenpracht. Am intensivsten glühte das tiefe Rot der American Beautys.
In fadenscheinigen langen Hosen und einem eingelaufenen T-Shirt lag Emily auf den Knien. Bei diesem Anblick zog sich Bens Herz zusammen. Wie ernst, wie eifrig, wie bezaubernd sie war. Sie wusste ja nicht, wie sehr sie ihn rührte. Er hätte sie am liebsten hochgehoben und ihr den Schmutz von den Wangen geküsst. Doch er zwang sich zu einem unverfänglichen Ton. „Brauchst du Hilfe?“
Ihr Kopf flog herum, und sie ließ die Kelle fallen. „Ich habe dich nicht bemerkt. Ich versuche, die Rubiayat umzutopfen. Doch sie hat so tiefe Wurzeln.“
Er eilte zu ihr, kniete sich nieder und hatte in wenigen Minuten die Wurzeln ausgegraben und die Rose in einen großen Terrakotta-Topf gesetzt. Gemeinsam füllten sie ihn mit Erde. Dabei berührten sich manchmal ihre Hände, doch sie nahm keine Notiz davon.
Als sie fertig waren, rieb sie die Erde von den Fingern und bedankte sich. Er nahm ihre Hände und half ihr auf die Beine.
„Warum hast du mich nicht gerufen, als du Hilfe brauchtest?“
„Ich wollte dich nicht bei der Arbeit stören.“
„Manchmal werde ich ganz gerne gestört“, murmelte er, hielt immer noch ihre schmutzigen Hände und sah in ihre grauen Augen. Hier zu Hause war es ganz anders als im Büro. Hier hatten sie buchstäblich Hand in Hand miteinander gearbeitet. Er genoss die Stimmung, den Duft der Blumen, ihren Anblick. Er wollte sie noch nicht freigeben. Er wollte nicht zurück in sein Zimmer gehen. Er fragte sich, ob ihm in seiner Junggesellenzeit etwas gefehlt hatte. Vielleicht die Intimität, die eine Ehe mit sich bringt. Der körperliche und der seelische Kontakt. Emily wurde ihm vertraut. Gefährlich vertraut! Denn er wollte seinen Lebensstil nicht ändern und sich binden. Gut, dass sie immer seine Assistentin blieb. Dann konnte er beides behalten. Seine Freiheit und Emily.
Sie entzog ihm die Hände und machte sich daran, ihre Gartengeräte zu säubern und zu verstauen. Ben trat an das Terrassengeländer, steckte die Hände in die Hosentaschen, sah hinunter auf die abendliche Stadt und versuchte zu verschmerzen, dass Emily seine Nähe ablehnte.
Emily hielt beim Aufräumen inne. Sie betrachtete seinen breiten Rücken und die schmalen Hüften in den Kakihosen. Sie fand ihn jeden Tag anziehender. Mit jedem Tag begehrte sie, liebte sie ihn mehr. Sie sehnte sich danach, alles mit ihm zu teilen. Das Bett, das ganze Leben. Nur zu gerne hätte sie geglaubt, dass seine Geschenke von Herzen kämen. Doch als seine Assistentin
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