Julia Gold Band 51
bedienen.
Aber dahinter verbarg sich ein ausgeklügeltes psychologisches Konzept, auf das sie nicht hereinzufallen gedachte. Deshalb würde sie ihre Auswahl auf ein Minimum beschränken.
Zwei Stunden später verabschiedete sich von ihr ein überglücklicher Händler mit dem größten Auftrag, den er je im Palast erhalten hatte.
Entsetzt fragte sich Alexis, wieso sie plötzlich in einen wahren Kaufrausch verfallen war. Es handelte sich ja nicht nur um Stoffe. Viel kostspieliger als sie waren die vielen Edelsteine, mit denen die neuen Kleider bestickt werden sollten und die sie gemeinsam mit Leena ausgesucht hatte.
Die junge Araberin war schockiert gewesen, als Alexis sie gefragt hatte, ob die Juwelen echt seien. Allein zu denken, der Herrscher von Kamar würde unechte Edelsteine verschenken, grenzte offenbar schon an Majestätsbeleidigung.
„Das hier sind natürlich alles nur kleine Steine“, hatte Leena erklärt. „Die großen bekommen Sie direkt vom Scheich.“
„Die großen?“
„Ja, sie sind ein Zeichen seiner besonderen Gunst, der Sie sich erfreuen.“
Ich pfeife auf seine Gunst und hätte lieber meine Freiheit, dachte Alexis aufsässig, sagte es aber nicht. Allerdings würde sie Ali beim nächsten Wiedersehen allerhand zu sagen haben.
Vom Balkon aus verfolgte sie später, wie die Sonne unterging und es innerhalb weniger Minuten stockdunkel wurde, als hätte jemand das Licht ausgeknipst.
Es fiel ihr schwer, sich dem Zauber dieser ersten Nacht im Orient zu entziehen. Hunderte von farbigen Lämpchen erhellten den Palastgarten, und weiter unten glitzerten die Lichter der Stadt, in der noch reges Leben herrschte. Von irgendwoher erklang Musik.
Alexis beobachtete, wie unter ihr im Park die Menschen paarweise oder in kleinen Gruppen spazieren gingen und die laue Abendluft genossen. Ob sich Ali unter ihnen befand?
Sie erspähte eine hohe Gestalt in weißem Gewand, die ihr den Rücken zudrehte. Das musste Ali sein. Sie erkannte ihn an seinem Gang und der stolzen Kopfhaltung. Er unterhielt sich angeregt mit seinem Begleiter, der beträchtlich kleiner war, eine Kopfbedeckung trug – und möglicherweise eine Frau war.
Alexis merkte nicht, dass sie sich unwillkürlich vorbeugte und das schmiedeeiserne Balkongitter fester umklammerte. Als die beiden umkehrten und sie den Bart im Gesicht von Alis Begleiter sah, spürte sie unendliche Erleichterung.
Sie war entsetzt über ihre Reaktion, und zu allem Übel blickte in diesem Moment auch noch Ali zu ihr herauf. Schnell trat sie zurück, war aber nicht sicher, ob er sie nicht doch noch gesehen hatte, was ihr äußerst unangenehm gewesen wäre. Dann ging sie wieder ins Zimmer.
Um sich die Zeit zu vertreiben, durchstöberte sie das kleine Bücherregal im Salon. Alle Bücher waren in Englisch und lieferten jede wissenswerte Information über Kamar. Natürlich hatte Alexis bei ihren Recherchen für den Artikel bereits einiges über das Land erfahren, wusste aber wenig über das Herrscherhaus.
Das Scheichtum Kamar war erst vor knapp sechzig Jahren von einem Beduinenscheich namens Najeeb gegründet worden, der mit seinen Stammeskriegern urplötzlich aus der Wüste auftauchte, als Experten ausländischer Firmen gerade die ersten Ölvorkommen entdeckt hatten. Najeeb besetzte mit seinen Leuten das Gelände, verhandelte mit den Abgesandten der Ölfirmen und erklärte sich zum Alleinherrscher des wenig besiedelten und hauptsächlich aus Wüste bestehenden Landstriches.
Er schien ein gefürchteter Mann gewesen zu sein, wurde aber auch wegen seines Mutes und der Hartnäckigkeit bewundert, mit der er sich gegen die mächtigen ausländischen Firmen behauptet hatte. Und er war Alis Urgroßvater.
Sein Sohn, Najeeb der Zweite, schwamm bereits in Geld und gab es mit vollen Händen aus. Nach seinem Tod kämpften seine beiden Söhne um die Nachfolge, und der jüngere, Saleem, setzte sich durch. Saleem öffnete den Staat moderner Technologie und schien ein aufgeklärter Herrscher gewesen zu sein.
Interessiert betrachtete Alexis die Fotos der Männer, die sich erstaunlich ähnlich sahen und alle diesen stolzen, ungezähmten Blick und den harten und entschlossenen Zug um den Mund hatten, der auch bei Ali unübersehbar vorhanden war.
Mochte er sich auch als moderner Geschäftsmann und charmanter Playboy geben, so konnte er in seiner Rache doch unerbittlich sein. Und diesem Mann war sie nun auf Gedeih und Verderb ausgeliefert.
6. KAPITEL
Am nächsten Morgen hatte Leena eine
Weitere Kostenlose Bücher