Julia Gold Band 51
unehelichen Geburt nicht anerkennen wollten, warum hatten sie mich dann aus meinem Alltag gerissen und mir diese Erziehung angedeihen lassen? Warum hatte ich nie meinen Großvater, den König, und meine Großmutter, seine geliebte Frau, kennengelernt, wo meine Zukunft doch ohnehin gesteuert wurde? Was hatte das alles für einen Sinn? Mein Großvater war tot, und ich stand da ohne jede Erklärung.“
Er schwieg. Das Boot glitt über den See, und Jalal blinzelte in die Sonne.
„Was haben Sie gemacht?“
Er wandte sich wieder Clio zu. „Ich habe mich an die jungen Prinzen, meine Onkel, gewendet und wollte von ihnen wissen, was mein Großvater mit mir vorgehabt hätte.“
„Haben sie es Ihnen gesagt?“
„Nein. Sie wollten nichts von ihrem Neffen wissen. Ich war aus meiner gewohnten Umgebung, dem Haus meiner Mutter, gerissen worden, und die, die das getan hatten, wollten mich nicht in das Haus meines Vaters lassen.“ Jalal schaute ihr in die Augen. „War das nicht ungerecht? Ist es da nicht verständlich, dass ich wütend war?“
„Zara hat mir erzählt, Ihre Onkel, die Prinzen Rafi, Omar und Karim, wussten nichts von Ihrer Existenz. Ist das wahr?“
„Ja, es stimmt, dass sie selbst nie etwas davon erfahren haben. Sie haben mir auch erzählt, dass ihnen meine Briefe deshalb unverständlich gewesen seien. Sie hielten mich für einen Banditen. Aber irgendwer hat es von Anfang an gewusst. Mein Großvater vielleicht. Doch er hat mich nicht in seinem Testament bedacht, mich nicht mal erwähnt.“
„Ist das nicht seltsam?“ Das erschien Clio am unwahrscheinlichsten.
Er musterte sie prüfend. „Wollen Sie damit sagen, dass meine Onkel die Wahrheit kennen und ihre Ahnungslosigkeit nur vorgetäuscht haben? Wissen Sie etwas? Hat Ihre Schwester etwas erzählt?“
Es missfiel ihr, dass er mit seiner Geschichte Mitgefühl bei ihr weckte. „Nein, ich weiß nicht mehr, als Sie mir erzählt haben. Ich kann nur nicht begreifen, dass eine Frau nicht den Sohn ihres verstorbenen Sohns kennenlernen will – ihr Enkelkind.“
Ein Schatten huschte über Jalals Gesicht. „Vielleicht war meine uneheliche Geburt ein zu großer Makel.“
„Und deshalb wollten Ihre Großeltern Sie nie sehen?“ Clio war sicher, dass sie, wenn sie die Großmutter gewesen wäre, alles versucht hätte, um ihr Enkelkind bei sich zu haben, gleichgültig, ob seine Eltern gegen irgendwelche Regeln verstoßen hatten oder nicht.
„Nein. Es gab nicht mal einen Brief von ihnen, der mir nach ihrem Tod geschickt worden wäre.“
Kein Wunder, dass er sich nirgends zu Hause fühlte.
Jalal schwieg, während sie über das Wasser dahinschossen, das so weit wie die Wüste wirkte.
„Was haben Sie gemacht, als Ihre Onkel auf Ihre Forderungen nicht eingegangen sind?“
Er war zurückgekehrt in die Wüste, an den Ort seiner Kindheit. Aber die Bande waren zerrissen gewesen. „Die Wüste kann nie wieder meine Heimat werden. Unter den Menschen, unter denen ich dort gelebt hatte, fühlte ich mich nicht mehr zu Hause. Alle lebten noch in einem anderen Jahrhundert und hatten Angst vor jeder Veränderung.“ Deshalb hatte er den Entschluss gefasst, seine richtige Familie zur Anerkennung seiner Existenz zu zwingen. Er hatte Mitstreiter um sich geschart und schließlich eine Geisel genommen.
„Den Rest kennen Sie ja“, meinte er ein wenig ironisch.
„Ja“, antwortete sie. „Und jetzt hat sich Ihr Leben wieder verändert. Dank Zara haben Sie Ihre Abstammung nachgewiesen, haben den Titel und Besitz Ihres Vaters bekommen. Ihre Onkel vertrauen Ihnen so sehr, dass sie Ihnen den Posten des Großwesirs gegeben haben und Sie den Auftrag bekommen haben …“
„Den Auftrag? Wer hat Ihnen gesagt, ich hätte einen Auftrag?“
Sie begegnete seinem scharfen Blick. „Ich dachte, Sie wären hergekommen, um Ihr Englisch zu verbessern, damit Sie im Herbst Politikwissenschaft an der Harvard Universität studieren können. Ein Sommer inmitten der temperamentvollen Familie Blake sollte da hilfreich sein.“
Die Wachsamkeit in seinem Blick erlosch. „Ja“, erklärte er. „Das stimmt.“
Clio richtete ihren Blick wieder auf das Wasser. Ihre Gedanken überschlugen sich. Was, zum Donnerwetter, hatte das zu bedeuten? Ging es ihm wirklich darum, sein Englisch zu verbessern? Oder war das nur ein Vorwand? Aber weswegen? Welchen anderen Grund sollte Prinz Jalal haben, ans Ende der Welt zu reisen?
2. KAPITEL
Jalal stand auf, trat ans Heck und schaute sich um, während sie
Weitere Kostenlose Bücher